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Politik: Kampf der Kartelle

Die Zahl der Toten in Mexikos Drogenkrieg hat sich 2008 auf 5500 verdoppelt – Experten kritisieren, dass immer mehr Soldaten statt Polizisten im Einsatz sind

Von Michael Schmidt

Berlin - Die Schönheitskönigin also auch. Der Drogenkrieg in Mexiko nimmt wirklich niemanden aus. Statt das Land 2009 bei der Kür zur Miss International zu vertreten, muss Laura Elena Zuñiga hinter Gitter. Die 23-jährige Miss Hispanoamericana wurde am Tag vor Heiligabend mit acht mutmaßlichen Drogenkriminellen festgenommen. Sie hatten reichlich Waffen, Munition, 16 Mobiltelefone und Zehntausende Dollar dabei. In einer ersten Vernehmung beteuerte die schöne Laura Zuñiga, nicht gewusst zu haben, dass ihr Liebhaber Drogendealer und Mitglied des Kartells von Juárez sei.

Nachrichten wie diese lesen die Mexikaner täglich. Anschläge, enthauptete Leichen, Racheakte – seit Jahren schon tobt südlich des Rio Grande ein blutiger Kampf zwischen den vier großen Drogenkartellen des Landes um die Vorherrschaft über den Rauschgiftschmuggel in die USA. 2008 war ein besonders brutales Jahr. Die Zahl der Mordopfer im Kampf um Regionen und Schmuggelrouten hat sich auf rund 5500 verdoppelt.

Und die Spirale der Gewalt dreht sich zunehmend schneller. Während zu Beginn des Jahres durchschnittlich acht Tote pro Tag gezählt wurden, waren es zuletzt täglich 24 – statistisch gesehen also jede Stunde einer.

Bei seinem Amtsantritt im Dezember 2006 hatte Mexikos Präsident Felipe Calderón zu einer Offensive gegen die Drogen- und Bandenkriminalität aufgerufen. Er wolle als derjenige Präsident in Erinnerung bleiben, der dem organisierten Verbrechen die Stirn geboten habe, betonte der konservative Politiker erst kürzlich wieder. Dafür hat er den Kampf militarisiert. Rund 36 000 Polizisten und Soldaten hat er dafür im Einsatz. Die meisten im Norden des Landes, entlang der 3200 Kilometer langen Grenze zu den USA. Nach Erkenntnissen von US-Drogenfahndern kommen 90 Prozent des in den USA konsumierten Kokains über Mexiko ins Land. Zudem versorgen die Kartelle den US-Markt mit 9000 Tonnen Marihuana, 17 Tonnen Heroin und einer unbekannten Menge an synthetischen Drogen.

Nach Regierungsangaben investiert Mexiko jährlich 3,9 Milliarden US-Dollar in den Kampf gegen Drogenhandel. Hinzu kommen rund 400 Millionen Dollar, mit denen Washington Mexiko im Antidrogenkampf unterstützt. Das Geld ist Teil der sogenannten Merida-Initiative, die Ländern in Zentralamerika und der Karibik in den kommenden drei Jahren insgesamt 1,6 Milliarden Dollar für die Kriminalitätsbekämpfung zur Verfügung stellt. Im Prinzip, sagt Manuel Perez Rocha vom Washingtoner Institut für Politische Studien, sei es ein „ermutigendes Zeichen“, dass die USA mit dieser Initiative die gemeinsame Verantwortung im Kampf gegen die Drogen anerkenne. Allerdings sei unter der Bush-Administration rein gar nichts geschehen, um das Kernproblem, die Drogennachfrage in den USA, einzudämmen und den grenzüberschreitenden Rauschgift- und Waffenhandel zu bekämpfen. Problematisch sei zudem die Konzentration der Merida-Millionen auf „militärische Hardware“ – mit dem Geld sollen vor allem Hubschrauber und Waffen angeschafft werden. Nur ein Viertel des Geldes stehe dagegen für eine dringend benötigte Stärkung der Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung, für eine Polizeireform und die Bekämpfung der Korruption: Ein von der mexikanischen Regierung in Auftrag gegebener Bericht hat erst kürzlich ergeben, dass von 55 000 überprüften Polizisten jeder zweite unzuverlässig ist.

Für Günther Maihold von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik ist der Drogenkrieg denn auch Ausweis einer „eklatanten Krise des mexikanischen Sicherheitsapparates, und zwar auf allen Ebenen, von der lokalen bis zur nationalen.“ Der Einsatz des Militärs habe zwar dazu geführt, dass korrupte lokale Polizeieinheiten ausgehoben worden sind – „aber es ist nicht möglich, dafür schnell kompetenten professionellen Ersatz zu schaffen“. Dass nun zunehmend Militärangehörige zur Polizei wechselten, sei „unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte“ eine „nicht nur zu begrüßende Tendenz“. Übergriffe und unverhältnismäßig brutales Vorgehen der Polizei sind ohnehin an der Tagesordnung.

Für 2009 erwartet Maihold „ein fürchterliches Weiter-so“. Die mexikanischen Mafias versuchen ihr Einflussgebiet zu vergrößern. International haben sie längst den kolumbianischen Kartellen den Rang abgelaufen. Sie stellen nunmehr nicht nur den Transport über den Landweg sicher, sondern nehmen zunehmend selbst die ganze Produktionskette von der Herstellung bis zum Vertrieb in die Hand. Das lasse für die nahe Zukunft das Schlimmste befürchten, sagt Maihold. Die unvergleichlich hohen Renditen, die im Bereich der Rauschgiftkriminalität zu erzielen seien, machten es für viele einfach „sehr verführerisch, sich dort massiv gewalttätig zu betätigen“.

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