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Militärbeobachter. Diese türkischen Soldaten betrachten dichte Rauchschwaden über Kobane, kurdische Verteidiger können momentan gegen den „Islamischen Staat“ bestehen.

© dpa

Kampf gegen den IS: Festgefahren in Kobane

Schnelle Vorstöße sicherten dem IS lange Zeit seine militärischen Erfolge – diese Taktik geht nicht mehr auf. Nun könnte Bagdad nächstes Angriffsziel werden.

Auch nach den jüngsten Erfolgen der US-geführten Luftangriffe auf die Truppen der Dschihadisten-Organisation „Islamischer Staat“ (IS) im nordsyrischen Kobane geben die Extremisten die Schlacht noch nicht verloren. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete am Samstag anhaltende Gefechte in den Außenbezirken der Stadt. Auch die Luftangriffe der USA und ihrer Alliierten in Kobane gingen weiter. Kurdische Medien meldeten, der IS ziehe Verstärkungen für eine mögliche neue Offensive in Kobane zusammen.

In den vergangenen Tagen hatten die Kurden und verbündete syrische Rebellengruppen in Kobane den IS mit Unterstützung durch die Luftschläge aus vielen Vierteln der Stadt zurückdrängen können. Kämpfer der islamistischen Miliz „Brigade der Revolutionäre von Raqqa“, die in Kobane aufseiten der Kurden kämpfen, sollen in der Stadt zwei IS-Mitglieder hingerichtet haben, meldete die Beobachtungsstelle. Einer der Hingerichteten sei ein Jugendlicher gewesen. Eine Bestätigung lag zunächst nicht vor.

Omar Alush von den kurdischen Milizen in Kobane sagte dem kurdischen Nachrichtenportal Rudaw, der IS sei komplett aus der Stadt vertrieben worden. In den vergangenen Wochen hatten die Extremisten vorübergehend fast die Hälfte des Stadtgebietes unter ihre Kontrolle gebracht. Der jetzt beobachtete Rückzug des IS aus Teilen von Kobane nach rund einmonatiger Belagerung könnte aus taktischen Gründen angeordnet worden sein, um die Einheiten der Dschihadisten neu aufzustellen.

Nachschubwege der Dschihadisten sollen bombardiert werden

Kurden-Kommandeur Alush forderte, die USA und ihre arabischen Verbündeten sollten die Nachschubwege des IS aus der Luft unter Beschuss nehmen. Es gebe Informationen, wonach die Dschihadisten einen neuen Angriff auf die Stadt planten. In anderen kurdischen Medien hieß es, der IS bringe Verstärkungen aus der rund 50 Kilometer südwestlich von Kobane gelegenen Stadt Manbij heran.

Der Londoner Militärexperte Justin Bronk schrieb in einem Beitrag für die Website des Nachrichtensenders CNN, im Häuserkampf der vergangenen Wochen in Kobane habe der IS seine Stärken nicht ausspielen können. Die militärischen Erfolge der Dschihadisten in den vergangenen Monaten seien vor allem die Folge von schnellen und gut koordinierten Vorstößen gegen überraschte oder demoralisierte Gegner gewesen, die an den deutschen „Blitzkrieg“ im Zweiten Weltkrieg erinnerten. In Kobane könne dieses Konzept aber nicht angewendet werden.

Der Kampf um Kobane ist für den IS, für die Kurden und für die US-geführte Allianz zu einer symbolträchtigen Schlacht geworden, in der es mittlerweile ebenso sehr um die Psychologie geht wie um militärische Erfolge: Eine Niederlage in Kobane wäre der erste empfindliche Rückschlag für den IS. Einige Experten rechnen deshalb damit, dass die Dschihadisten versuchen werden, anderswo in Syrien oder dem Irak einen spektakulären Sieg zu erringen.

Möglicherweise bereitet der IS einen Angriff auf die irakische Hauptstadt Bagdad vor. Die Dschihadisten sollen die westlich von Bagdad gelegene Stadt Ramadi eingekesselt haben. Zudem wird der IS für mehrere tödliche Bombenanschläge in Bagdad verantwortlich gemacht.

Unterstützung könnten die IS-Kämpfer bald auch aus der Luft erhalten. Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die sich auf Berichte von einem Netz von Gewährsleuten in Syrien stützt, meldete Trainingsflüge von drei Kampfjets, die dem IS bei der Eroberung von Luftwaffenstützpunkten in Syrien in die Hände gefallen waren. Demnach bilden frühere irakische Kampfpiloten die IS-Kämpfer aus.

Die Berichte verdeutlichen die engen Beziehungen zwischen dem IS und ehemaligen Soldaten und Offizieren aus der Armee des gestürzten irakischen Diktators Saddam Hussein. Wichtige militärische Posten des IS seien mit Ex-Offizieren aus der Saddam-Armee besetzt, die im Gefängnis zu extremistischen Islamisten geworden seien, berichtete das US-Magazin „The New Yorker“ kürzlich. Im Irak richtet sich der Kampf des radikal-sunnitischen IS gegen die schiitisch dominierte Regierung in Bagdad.

Legt der IS nun eine Luftwaffe zu?

Sollte sich der IS eine – wenn auch eher kleine – Luftwaffe zulegen, könnte dies die Lage in Syrien grundlegend ändern. Bisher lehnen die USA die Forderung der Türkei nach Verhängung eines Flugverbots über Syrien ab, mit dem Ankara den türkischen Hauptfeind, Präsident Baschar al Assad, militärisch schwächen will. Kampfflugzeuge des IS würden dem Ruf der Türkei nach einem Flugverbot neuen Auftrieb geben.

Die Türkei will im Schutz eines Flugverbotes mehrere Pufferzonen auf syrischem Boden errichten und energischer gegen Assad vorgehen. Ankara argumentiert, der IS sei eine Folge des syrischen Bürgerkrieges und könne nur erfolgreich bekämpft werden, wenn die Ursache für den Bürgerkrieg beseitigt werde: das Assad-Regime.

Bisher hat die Türkei auf internationaler Bühne nur wenig Unterstützung für diese Position erhalten; ein UN-Mandat für Pufferzonen ist unwahrscheinlich. Eine Einrichtung dieser Zonen ohne Zustimmung der Weltorganisation würde als Besetzung gewertet, warnte der syrische Kurdenchef Salih Müslim.

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