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Die Verzweiflung nach der Schlacht. Ein Vater trauert um seine Tochter, die bei den Gefechten gegen den IS ums Leben kam.

© Felipe Dana/dpa

Kampf gegen den IS: Welche Folgen der Sieg in Mossul haben könnte

Irakische Einheiten haben Mossul vom "Islamischen Staat" befreit. Doch die Not der Menschen und ihre Wut sind groß – ist der Zerfall des Staats noch aufzuhalten?

Die Regierenden in Bagdad feiern. US-Präsident Donald Trump gratuliert. Und die Vereinten Nationen sind erleichtert. Sie alle eint die Freude darüber, dass die frühere Metropole Mossul jetzt vom „Islamischen Staat“ (IS) befreit ist.

Die Dschihadisten haben damit ihre wichtigste Bastion im Irak verloren. Allerdings brauchte die internationale Militärallianz mehr als neun Monate, um die fanatischen „Gotteskrieger“ zu vertreiben. Im Juni 2014 hatte der IS die Stadt ohne Gegenwehr überrannt. In der mittlerweile von den Extremisten zerstörten Al-Nuri-Moschee hatte Abu Bakr al Bagdadi symbolträchtig das „Kalifat“ ausgerufen und in Mossul eine Schreckensherrschaft errichtet.

Der jüngste Erfolg über den IS bedeutet allerdings nicht, dass der Irak damit befriedet wäre. Das gespaltene Land ist von Stabilität oder gar Frieden nach wie vor weit entfernt. Auch ein Wiedererstarken der Islamisten schließen Beobachter keinesfalls aus. Im Gegenteil. Sie könnten die enormen politischen und religiösen Probleme nutzen, um ihre Ideologie erfolgreich weiterzuverbreiten.

Die Not der Menschen

Die Dauerschlacht um Mossul hat viel verbrannte Erde und immenses Leid hinterlassen. Vor allem im Westen der Stadt, wo die Islamisten am längsten Gegenwehr leisteten, liegen ganze Viertel in Trümmern. Helfer an Ort und Stelle berichten über zerstörte und damit unbewohnbare Häuser. An eine geordnete Rückkehr der Menschen ist unter diesen Bedingungen vorerst nicht zu denken. Zumal der Hilfsorganisation Handicap International zufolge improvisierte Sprengkörper und Blindgänger das Leben der Zivilbevölkerung noch auf Jahre gefährden werden. Die Lage der Geflüchteten ist ohnehin dramatisch.

Nach Schätzung der Vereinten Nationen haben in den vergangenen Monaten 900.000 Menschen wegen der schweren Gefechte ihre Häuser verlassen. Die meisten kamen in improvisierten Lagern in Stadtnähe unter. Trotz aller Unterstützung gelten viele Menschen als unterernährt und traumatisiert. „Die Not ist groß“, sagt Elisa Fourt, Projektmanagerin von Handicap International im Irak. „Mehr als 15 000 Unbeteiligte wurden durch die Kämpfe verletzt, Tausende getötet.“ Weil es seit Langem an einer ausreichenden medizinischen Versorgung mangelt, sind laut Handicap International aus Verletzungen Behinderungen geworden.

Sunniten gegen Schiiten

Im Irak ist der Konflikt zwischen den beiden Glaubensrichtungen des Islam ein alter. Vor allem in den vergangenen Jahren haben die Spannungen zugenommen. Die Bevölkerungsmehrheit ist schiitisch. Seit dem Sturz des Diktators Saddam Hussein 2003 fühlt sich die sunnitische Minderheit extrem benachteiligt. Bei politischen Entscheidungen haben sie bis heute in der Tat wenig Mitspracherecht. Das gilt auch für die wirtschaftlichen Ressourcen. Das alles schürt den Hass zwischen beiden islamischen Glaubensrichtungen.

Mossul ist für Sunniten im Irak das wichtigste Zentrum. Kein Wunder also, dass die sunnitische Terrormiliz IS alles daran setzte, diese Stadt unter Kontrolle zu bekommen: Die Fundamentalisten nutzen Vorbehalte gegen Schiiten, um ihrer Herrschaft möglichst viel Stabilität zu geben. Diese tatsächliche wie vermeintliche Sympathie für den IS kommt den Bewohnern jetzt womöglich teuer zu stehen.

Bereits während der Schlacht um Mossul gab es Berichte darüber, dass angreifende schiitische Milizen Rache an der Bevölkerung übten. Es soll Menschenrechtsgruppen zufolge zahlreiche Lynchmorde und rücksichtslose Vertreibungen von Sunniten gegeben haben. Viele Einwohner fürchten deshalb um ihr Leben, sind verzweifelt.

Bislang ist auch noch völlig unklar, was aus Mossul wird. Wer wird künftig das Sagen haben? Wie soll die Verwaltung der Stadt aussehen? Auf solche Fragen gibt es keine Antworten.

Islamisten in Wartestellung

Das alles könnte das Terrain für die Propaganda des IS bereiten – und für eine Rückkehr der Dschihadisten. Die haben zwar in Mossul eine herbe Niederlage hinnehmen müssen. Doch in verschiedenen Teilen Iraks sind IS-Kämpfer noch aktiv. Selbst wenn diese Einheiten vertrieben werden, wäre die Miliz nicht zerschlagen. Die Mitglieder der Terrorgruppe werden Experten zufolge wohl in den Untergrund gehen und eine Guerilla-Taktik verfolgen, inklusive schwerer Anschläge.

Die Kurden

Den Kampf gegen den IS haben die Kurden genutzt, um im Norden des Landes ihre Autonomie auszuweiten. Für September ist ein Referendum geplant. Eine Mehrheit für eine Abspaltung vom Irak gilt als sicher. Die Zentralregierung in Bagdad wird das nicht akzeptieren. Doch ein Ja würde vermutlich die Sunniten ermuntern, ebenfalls autonome Regionen zu fordern. Das dürfte dazu beitragen, dass der Irak weiter zerfällt.

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