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Eine zentrale Mafia-Struktur gibt es nicht - systematische Geldwäscher aber wohl.

© dpa

Kampf gegen die Mafia: Geldwäsche in Berlin - ein internationales Geschäft

Berlins kriminelle Clans haben viele ethnische Wurzeln, Italien spielt kaum eine Rolle. Geld wird aber auch hier gewaschen, etwa in der Gastronomie. Und Deals werden mit deutschen Geschäftsleuten gemacht.

Wer ist der Pate von Berlin? Gibt es mehrere? Sind es Italiener, Russen, Türken? Oder doch Deutsche, vielleicht gut vernetzte Bauherren? Wenn über die Mafia gesprochen wird, gibt es nicht nur mehr Fragen als Antworten. Vor allem mischen sich oft Klischees mit Halbwahrheiten. Valide Zahlen fehlen meist völlig. Das liegt nicht nur daran, dass es das Wesen mafiöser Gruppen ist, unentdeckt zu bleiben. Hinzu kommt, dass es in Berlin eine zentral geführte Mafia nicht gibt. Außerdem sind sich viele Kenner einig, dass traditionelle, italienische Mafia-Familien die deutsche Hauptstadt als Ruhezone betrachten.

Im Polizeipräsidium hat man bislang nur die Fälle von 2012 ausgewertet. Demnach wurde zwar in 49 Verfahren zu Organisierter Kriminalität (OK) ermittelt, also zu Gruppen, die arbeitsteilig und dauerhaft Profite durch illegale Geschäfte machen, und versuchen, dieses Geld in die legale Wirtschaft zu überführen. Es habe 2012 aber „keinen italienisch dominierten OK-Komplex in Berlin“ gegeben.

In Justizkreisen wird aber auf die in Ruhezonen übliche Geldwäsche hingewiesen: Verdächtige, die in Deutschland oder auch in Italien leben, steckten in Berlin jahrelang viel Geld in Baugeschäfte. Zudem gibt es Restaurants, die offenkundig selten besucht werden, aber offiziell viel Umsatz machen. Gewinne aus Erpressungen, Deals, Schmuggel könnten in den Büchern solcher Lokale als Einnahmen von Gästen verbucht werden, die es nie gegeben hat. So wird aus Schwarzgeld, das womöglich auch aus dem Mittelmeerraum stammt, in Berlin legales Einkommen.

Nicht wie die klassische Mafia - eher ein Zweckbündnis

Dennoch, auch in Berlin arbeiten Gangster, die durchaus als Mafiosi bezeichnet werden könnten – wenn damit nicht so sehr die traditionelle Mafia, sondern allgemein OK-Phänomene gemeint sind. In Justizkreisen wird davon gesprochen, dass Dutzende Gruppen in verschiedenen Feldern tätig seien: Litauer als Autoschieber, Libanesen als Drogendealer, Vietnamesen im Zigarettenschmuggel aus Osteuropa. Ermittler führen immer wieder auch Ukrainer, Russen und Moldauer an. Einzelne hätten schon in den Ländern ihrer Eltern klandestine Geschäfte gemacht. Frauen aus diesen Ländern sollen zur Prostitution in Berlin gezwungen worden sein. Handlanger solcher Netzwerke – etwa Litauer – würden auf Bestellung bestimmte Autos stehlen. Mittelsmänner organisierten dann, heißt es, den Schmuggel der Wagen oder ihrer Einzelteile nach Osteuropa.

Stammen häufig aus Ländern des ehemaligen Jugoslawien, aus Bulgarien oder auch aus Algerien: Hütchenspieler in Berlin.
Stammen häufig aus Ländern des ehemaligen Jugoslawien, aus Bulgarien oder auch aus Algerien: Hütchenspieler in Berlin.

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Anders als die klassische Mafia bauen osteuropäische Gruppen selten auf einer Familie auf. So gibt es Gruppen, die sich nach Vierteln russischer Städten benannt haben, weil ihre Gründer sich dort als Clique kennengelernt haben. Oft arbeiten Männer zusammen, die sich einst in der Fankurve im Stadion oder in der Armee kennengelernt haben. Ihre kriminellen Netzwerke sind eher Zweckbündnisse, angelegt auf Zeit.

Im Drogenhandel wiederum gibt es besonders oft Verdächtige türkischer und arabischer Herkunft. Dabei spielen libanesische, palästinensische und kurdische Familien eine große Rolle – je enger die Verwandtschaft, desto bestimmter die Loyalität. Rationales, klandestines Vorgehen ist nicht ausgeschlossen, aber wegen emotionaler Bindungen an Brüder und Cousins zumindest beeinträchtigt – weswegen Männer aus diesem Milieu recht oft vor Gericht stehen.

Deal mit deutschem Manager

Die Sprösslinge vieler arabischer Clans werden als Kinder von Flüchtlingen nur geduldet, eine Arbeitserlaubnis haben sie in Berlin nicht. Familiennamen nennen die Behörden aus Datenschutzgründen nicht offiziell, räumen aber ein: In OK-Fällen sei 2012 „auch gegen Angehörige arabischer Großfamilien ermittelt“ worden. Mitglieder einer bekannten Familie sollen den Strich um die Kurfürstenstraße in Schöneberg kontrollieren. Sie sollen auch in das Rotlichtmilieu an der Oranienburger Straße in Mitte drängen, wo Rocker lange das Sagen hatten. Die einschlägigen Clans sowie die großen Rockercrews werden von Ermittlern oft der Bandenkriminalität zugerechnet.

Bevor sich aus vorläufigen Erkenntnissen rassistische Stereotype entwickeln, sei angemerkt: Deals machen solche Gruppen nicht zuletzt mit deutschen Geschäftsleuten. Dazu ein Fall aus diesem Jahr: Ein einschlägig bekannter Berliner arabischer Herkunft wird von Drogenfahndern überwacht. Dabei kommt zufällig heraus, dass der mutmaßliche Dealer mit einem Topmanager eines Krankenhauskonzerns telefoniert. Der Finanzprofi aus der Klinikzentrale soll einen gut dotierten Auftrag für den Krankenhaus-Winterdienst an eine Firma aus dem Umfeld des Deutsch-Arabers gegeben haben. Der Klinikmanager soll dafür 20 000 Euro bekommen haben. Vielleicht ein Einzelfall, schnöde Bestechung. Nur: Das Umfeld des 36-Jährigen gilt seit Jahren als in Drogen- und Rotlichtgeschäften aktiv. Und der Manager bekam schon im Hauptberuf ganz legal rund 35 000 Euro im Monat. In Justizkreisen fragt man sich deshalb: Planten die beiden Männer etwa mehr?

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