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Bald vorbei mit vegetarischen Buletten und vegetarischem Schinken?

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Update

Kampf gegen die Pseudo-Wurst: Ernährungsminister will Fleischnamen für Veggie-Produkte verbieten

Aus für die "vegane Currywurst": Agrarminister Christian Schmidt will klare Kennzeichnung. Hersteller und Verbraucherschützer sehen keine Verbrauchertäuschung.

Es sieht aus wie in einer klassischen Metzgerei. Die Wände sind weiß gekachelt, Wurst hängt hinter dem Tresen, Waage und Schneidemaschine warten auf individuelle Kundenwünsche. Wer will, kann auch eine Currywurst essen oder einen Burger. Und doch ist hier in der Bergmannstraße in Berlin-Kreuzberg nichts so, wie es scheint. Am Fenster steht groß „Der vegetarische Metzger“. Geschäftsführer David Meyer hat alles von der Bratwurst über das Hähnchengeschnetzelte bis hin zum Bacon - aber alles ist vegetarisch, ohne Fleisch. Von der Frikadelle über die Wurst bis zum Aufstrich. Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) hält das für Verbrauchertäuschung. Vegetarische Buletten oder Würste hält er für eine Irreführung und will solche Begrifflichkeiten verbieten. „Ich möchte nicht, dass wir bei diesen Pseudo-Fleischgerichten so tun, als ob es Fleisch wäre“, sagte Schmidt der „Bild“-Zeitung. Der Franke will eine klare Verbraucherkennzeichnung und Begriffe wie vegane Salami verbieten. „Ich bin mir sicher, dass sich die Hersteller künftig eigene Namen für ihre pflanzlichen Produkte überlegen werden“, meint der CSU-Politiker.

Bezeichnung gibt Informationen über Geschmack

Doch die haben dazu gar keine Lust. „Bezeichnungen wie vegetarische Bratwurst oder veganes Schnitzel stellen zum einen klar, dass es sich nicht um Fleischerzeugnisse handelt“, heißt es in einer Erklärung, die zahlreiche Hersteller Anfang des Monats verabschiedet haben. „Gleichzeitig geben sie den Verbrauchern Informationen über wichtige Eigenschaften der Produkte wie Geschmack, Textur, Aussehen und Verwendung“. Zehn Unternehmen und der Vegetarierbund (Vebu) haben das Kommuniqué verfasst, darunter Herta, Dennree und die Rügenwalder Mühle.
Das Unternehmen, 1934 im pommerschen Rügenwalde gegründet und heute in Bad Zwischenahn ansässig, war einst ein klassischer Wurst- und Bulettenfabrikant. Seit Jahren baut der Hersteller sein vegetarisches Segment weiter aus und gilt als Vorzeigeunternehmer in der Ernährungsindustrie. Statt zum Fleisch greift man in der Rügenwalder Mühle immer häufiger zu Rapsöl, Eiklar, Soja oder Weizen und macht daraus vegetarisches Mett, Salami oder Nuggets. Rund 20 Prozent steuert die Vegetarier-Sparte inzwischen zum Umsatz bei.

Wie beim alkoholfreien Bier

Marketing-Geschäftsführer Godo Röben möchte das nicht gefährdet sehen. Er fordert eine eindeutige und rechtliche Klarstellung, dass diese Fleischbegriffe zulässig sind. „Wir sind der Meinung, dass diese Begriffe den Verbrauchern Orientierung geben und klarmachen, was von dem Produkt zu erwarten ist“, sagte Röben dem Tagesspiegel. Das sei so wie beim alkoholfreien Bier. „Da kann sich auch jeder etwas darunter vorstellen, obwohl eines der zentralen Merkmale – der Alkohol – fehlt.“

Auch Verbraucherschützer sehen derzeit keine Gefahr, dass Verbraucher durch vegetarische Wurst- oder Fleischprodukte getäuscht werden. „In aller Regel erkennen die Menschen, dass es sich um ein vegetarisches Produkt handelt“, sagte Ingmar Streese, Leiter des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV), dem Tagesspiegel. Obwohl Streese derzeit keine große Täuschungsgefahr sieht, wünscht auch er sich eine Vereinheitlichung. „Es gibt immer mehr vegane Milch, Käse oder Wurst“, gibt Streese zu bedenken, „da brauchen wir eine einheitliche Kennzeichnung.“ An einer solchen arbeitet derzeit die Lebensmittelbuch-Kommission, die aus Vertretern der Verbraucher, Unternehmen und Wissenschaftlern besteht. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich speziell mit vegetarischen und veganen Lebensmitteln, die wie Fleisch, Käse oder Wurst daher kommen. Das Ziel: freiwillige Grundsätze für eine Kennzeichnung zu finden, an die sich dann alle Anbieter halten.

Schmidt will verbindliche Vorgaben auf EU-Ebene

Das möchte auch Bundesernährungsminister Schmidt. Er unterstützt die Bemühungen auf nationaler Ebene. Zugleich wünscht sich der CSU-Politiker aber auch verbindliche Vorgaben auf EU-Ebene. An den zuständigen EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis hat sich Schmidt bereits gewandt. So wie „Analogkäse“ auf Pflanzenbasis oder „Butter“ aus Pflanzenöl inzwischen verboten sind, soll es auch einen gesetzlichen Schutz gegen vegetarische oder vegane Begriffsschöpfungen geben. „Was drauf steht, muss drin sein“, meint der Minister und will das auch durchsetzen. In der Bergmannstraße hat man dafür kein Verständnis. Der Geschäftführer des „vegetarischen Metzgers“, David Meyer, findet das Quatsch. „Es gibt viel größere Täuschungen für den Verbraucher“, sagt er. Der Bestseller unter seinen Kunden ist übrigens die Berliner Currywurst. Aber auch das Hähnchen ist beliebt.

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