zum Hauptinhalt
Krankenschwestern in Liberia tragen ein Ebola-Opfer.

© dpa

Kampf gegen Ebola: Jeder Fehler ist tödlich

Der Präsident der Weltbank hält den Kampf gegen Ebola für "gescheitert". Die UN wollen nun die Hilfe für Westafrika koordinieren. Es wird höchste Zeit. Die Zukunft eines ganzen Kontinents steht auf dem Spiel.

Kaum ist er da, will er auch schon wieder weg. Am Mittwoch hat Walter Lindner sein neues Amt als Ebola-Beauftragter der Bundesregierung angetreten. Am Sonntag will er nach Westafrika fliegen und sich in Liberia, Sierra Leone und Guinea ein Bild von der Lage machen. Das sei der Wunsch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gewesen – und seiner auch, sagte Lindner am Donnerstag im Auswärtigen Amt.

Der Botschafter in Venezuela soll die deutsche Ebola-Hilfe koordinieren, die langsam in Gang kommt. Seit vergangener Woche gibt es eine Luftbrücke zwischen Dakar im Senegal und der liberianischen Hauptstadt Monrovia. Am Donnerstag sind dort die ersten Angehörigen der Bundeswehr, des Technischen Hilfswerks  und des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) angekommen, die ein 270-Betten-Krankenhaus aufbauen sollen.

Sowohl bei der Bundeswehr als auch beim DRK haben sich tausende Freiwillige gemeldet, die bereit wären, in den Ebola-Gebieten zu helfen. Beim DRK meldeten sich 1459 Interessierte, von denen allerdings nur 39 auch für den Einsatz geeignet seien. Um das Krankenhaus in Monrovia und eine Ebola-Station in Kenema in Sierra Leone zu betreiben, reicht die Zahl der Helfer aber nicht aus. Länger als drei bis vier Wochen können die Einsatzkräfte nicht im Ebola-Gebiet arbeiten. Zu groß ist das Risiko, unter zu großer Belastung Fehler zu machen. Eine kleine Unaufmerksamkeit kann die Ansteckung mit dem tödlichen Virus bedeuten. Außerdem ist es für die Helfer schwer zu ertragen, wochen- oder gar monatelang niemanden anfassen zu dürfen – um sich selbst oder andere nicht zu gefährden.

Himmelfahrtskommando. Diese Männer sammeln die Ebola-Toten in Freetown ein. Für die lebensgefährliche Arbeit bekommen sie 100 Dollar pro Woche.
Himmelfahrtskommando. Diese Männer sammeln die Ebola-Toten in Freetown ein. Für die lebensgefährliche Arbeit bekommen sie 100 Dollar pro Woche.

© AFP

Bisher hat Deutschland 17 Millionen Euro in den Kampf gegen Ebola investiert. Allein 10,4 Millionen Euro sind an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geflossen, schreibt Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Niema Movassat (Linke). 750.000 Euro sind demnach an die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" überwiesen worden, die seit Monaten Behandlungsstationen betreibt. Rund 300.000 Euro sind an das Bernhard-Nocht-Institut und das Robert-Koch-Institut geflossen, um die mobilen Diagnostiklabore in Westafrika zu unterstützen und den Ursprung des Ausbruchs der Krankheit zu erforschen.

Walter Lindner rechnet damit, dass diese Summe im Verlauf der kommenden Wochen noch wachsen wird. Aber vorläufig ist er noch dabei, sich einen Überblick zu verschaffen. Die Präsidenten von Liberia, Sierra Leone und Guinea haben bei einer Zuschaltung zur Weltbankkonferenz in Washington beklagt, dass die Hilfe zu langsam anlaufe und nicht ausreiche. "Die Zusagen sind stark. Aber wir brauchen eine etwas schnellere Umsetzung", sagte Liberias Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf der Nachrichtenagentur Reuters. Dem kanadischen Fernsehsender CBC sagte sie, das Gesundheitssystem ihres Landes sei auf den "unbekannten Feind, der über uns gekommen ist", schlecht vorbereitet gewesen.

"Wir haben versagt"

Weltbankchef Jim Yong Kim sagte im Interview mit der Zeitung "The Guardian": "Ebola war eine Bewährungsprobe und wir haben versagt. Wir sind mit unserer Reaktion kläglich gescheitert." Nachdem die Krise nun auch Spanien und die USA betreffe, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Virus auch andere europäische Länder erreiche, warnte Kim. Die Situation sei nicht nur für Westafrika gefährlich "Wenn wir die Ebola-Epidemie nicht schnell eindämmen, steht nicht weniger als die Zukunft Afrikas auf dem Spiel", sagte er. Seiner Organisation zufolge beläuft sich der finanzielle Schaden bis Ende 2015 auf mehr als 32 Milliarden Dollar (25 Milliarden Euro). "Das ist eine potenziell katastrophale Auswirkung." Er wünsche sich daher die Unterstützung der westlichen Regierungen für einen neuen, 20 Milliarden Dollar (15,7 Milliarden Euro) schweren Gesundheitsfonds für Notfälle.

IWF-Chefin Christine Lagarde rief alle internationalen Institutionen und Geldgeber, die den westafrikanischen Ländern Finanzhilfe bieten könnten, zum schnellen Handeln auf. Den betroffenen Staaten selbst sprach die IWF-Direktorin Mut zu, die Krise auch mithilfe neuer Staatsschulden zu bekämpfen. "Der IWF sagt das sehr selten, aber ein Haushaltsdefizit ist gut, wenn es darum geht, die Menschen zu heilen und Maßnahmen gegen die Krankheit zu unternehmen."

Ebola-Beauftragter Lindner warnte, dass die schwachen Gesundheitssysteme der drei Nach-Bürgerkriegsländer dem Virus nicht gewachsen gewesen seien. Sie müssten komplett wieder aufgebaut werden. Das Wichtigste sei nun, die "Infektionsketten zu durchbrechen" und eine Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Er warnte davor, dass diese "fragilen Staaten erneut zerfallen könnten".

Internationale Hilfe greift bisher nur bedingt

Derweil haben die Behörden in Liberia die für kommenden Dienstag geplante Senatswahl verschoben. Die landesweite Abstimmung von drei Millionen Wahlberechtigten über die Hälfte der Mandate sei angesichts der momentanen Lage nicht zu verantworten, teilte die Regierung mit. Zuvor hatte die Wahlkommission um Aufschub gebeten. Ein "Massenauflauf von Menschen" bedeute in der jetzigen Situation potenzielle Lebensgefahr für die Beteiligten. Die Kommission argumentierte, "eine freie, faire, transparente und glaubwürdige Wahl" sei während der grassierenden Seuche unmöglich. In Gesprächen mit den politischen Parteien und Kandidaten solle nun möglichst ein neuer Termin vor Jahresende vereinbart werden.

Liberia und seine Nachbarländer tun sich im Kampf gegen Ebola schwer und auch die internationale Hilfe greift bisher nur bedingt. Die Deutschen Botschafter vor Ort müssten die Hilfe koordinieren, meint Ebola-Beauftragter Lindner. Vor allem aber sei das Aufgabe der neuen UN-Mission "Unmeer". Die UN haben seit dieser Woche Verbindungsleute in allen drei Ländern. (mit dpa/AFP)

Zur Startseite