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Politik: Kampf gegen Terrorismus: "Zeigt die Beweise!"

Es war der Wendepunkt in der Kuba-Krise. Für die Nachwelt wurde sie festgehalten in dem Film "13 Tage".

Es war der Wendepunkt in der Kuba-Krise. Für die Nachwelt wurde sie festgehalten in dem Film "13 Tage". Die entscheidende Szene spielt Ende Oktober 1962, im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Die Atmosphäre ist aggressiv, der sowjetische Vertreter spottet. Wo denn die Beweise dafür seien, dass sein Land auf Kuba Abschussrampen für Mittelstreckenraketen installiere, fragt er höhnisch in die Runde. Das sei doch alles leeres Gerede. Seinem amerikanischen Kollegen wirft er unhaltbare Anschuldigungen vor. Dann zieht dieser plötzlich die angeblich fehlenden Beweise hervor. Auf großen Papptafeln sind auf Schwarzweißfotos detailliert die Raketenstützpunkte der UdSSR zu erkennen. Jeder Zweifel ist ausgeschlossen. Wenige Tage später gibt Moskau nach. Die Raketen werden wieder abgezogen.

Zum Thema Online Spezial: Kampf gegen Terror Militärische Reaktionen: Die Vorbereitungen auf einen Gegenschlag Osama bin Laden: Amerikas Staatsfeind Nummer 1 Fahndung: Die Suche nach Hintermännern und "Schläfern" Innere Sicherheit: Mehr Geld und schärfere Gesetze: Wie Deutschland sicherer werden soll Fotos: Die Ereignisse seit dem 11. September in Bildern Diesmal, knapp 40 Jahre später, scheint die Beweislage dafür, dass Osama bin Laden der Verantwortliche für die Terroranschläge vom 11. September war, ähnlich erdrückend zu sein. Bei der Nato in Brüssel wie auch in Washington, London, Berlin - und sogar in Islamabad, der Hauptstadt Pakistans - sagen alle, die vom Stand der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wurden, die Belege seien "eindeutig", "überwältigend", "unwiderlegbar".

Die britische Regierung hat nun außerdem einen bislang als vertraulich eingestuften 16-seitigen Bericht veröffentlicht, in dem folgende Punkte postuliert werden: Mindestens drei der 19 Flugzeugentführer seien als "enge Komplizen von bin Laden" identifiziert worden; zusätzlich habe einer von bin Ladens engsten Vertrauten zugegeben, "bei der Planung der Anschläge geholfen" zu haben; bin Laden selbst habe kurz vor dem 11. September mehreren Gefährten gegenüber erklärt, dass "eine größere Operation" bevorstehe. Schließlich wird ausführlich aus Reden bin Ladens zitiert, in denen er zur Ermordung möglichst vieler Amerikaner aufruft.

Doch Beweise sind etwas anderes als Indizien. Ausdrücklich wird in dem Dokument darauf hingeweisen, dass es für eine Anklageerhebung vor Gericht nicht ausreicht. Überdies gibt es bislang keine öffentliche Präsentation von Belegen, wie sie US-Außenminister Colin Powell vor 13 Tagen noch angekündigt hatte.

Zweifel an der Urheberschaft bin Ladens gibt es nicht. Alle Indizien deuten auf ihn hin. Aber nicht nur einer kritischen demokratischen Öffentlichkeit, die ihre Soldaten demnächst hinterm Hindukusch kämpfen lässt, sollte etwas mehr an Stichhaltigkeit geboten werden als offizielle Verlautbarungen, sondern vor allem auch der arabischen Welt. Die "Washington Post" veröffentlichte ein Editorial unter der Überschrift "Zeigt die Beweise!". Die Geheimhaltungspflicht wiege nicht so schwer wie die Notwendigkeit einer öffentlichen Präsentation, schreiben die Autoren. Ausdrücklich beziehen sie sich auf den Oktober 1962 - die große Geste, mit der die Kuba-Krise entschärft wurde.

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