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Politik: Kampf um die Autorität

Blair stellt sich erstmals seiner neuen Fraktion – in der viele seinen Rücktritt fordern

Für Tony Blair wurde es am Mittwoch ernst. Der britische Premier stellte sich zum ersten Mal seiner neuen, rebellischen Unterhausfraktion und musste versuchen, seine angeschlagene Autorität wieder herzustellen. Worum es geht, machte der frühere Minister von Blairs Labour-Partei, Stephen Byers, vor dem Treffen in einem Beitrag in der „Times“ deutlich: „Er muss zeigen, dass er nicht nur im Amt, sondern auch an der Macht ist.“

Obwohl Blair die Unterhauswahl mit einer für britische Verhältnisse überzeugenden Mehrheit gewonnen hat, reißen aus der Fraktion seit Tagen die Rufe nach seinem baldigen Rücktritt nicht ab. Allerdings macht Blair keine Anstalten den Rebellen nachzugeben. Mit seiner trotzigen Kabinettsumbildung, die eine Reihe enger Vertrauter in Regierungsämter beförderte, signalisierte er vielmehr, dass er, wie angekündigt, die „volle Amtszeit“ regieren will. Kurz vor der Fraktionssitzung erneuerte der wegen des Irakkrieges aus dem Kabinett ausgeschiedene Robin Cook die Attacken gegen Blair. Blair habe so viel Vertrauen verloren, dass er nicht einmal die nächste große Regierungsaufgabe bestehen könne, das EU Verfassungsreferendum, schrieb er in der Londoner Abendzeitung „Evening Standard“. Kein anderer als Schatzkanzler Gordon Brown gehöre in die Downing Street Nummer 10. „Wir haben nicht gewonnen, weil Blair beliebt ist, sondern weil Labour beliebt ist“, begründete er seine Attacke.

Blair hatte noch in der Wahlnacht versprochen „zu hören und zu lernen“. Doch bei seiner Kabinettsumbildung schlug er bei der Ernennung des neuen Schulministers Proteste auch aus der Fraktion in den Wind. Blair machte seinen Berater Andrew Adonis, einen ehemaligen Journalisten der „Financial Times“ und ein Mann ohne jede Parteilaufbahn, zum Schulminister und schaffte ihm den nötigen Parlamentszugang kurzerhand durch eine Ernennung zum Lord im Oberhaus. Adonis gilt als Architekt der Studiengebühren und der neuen, von Unternehmen mitfinanzierten, berufsorientierten Schulen und steht dem Gesamtschulkonzept kritisch gegenüber. Seine Berufung ist ein klares Zeichen, dass Blair weitere Mitte-links-Reformen durchsetzen will.

Doch linke Abgeordnete könnten Reformen blockieren. „Wenn Blair nicht zuhört, wird man ihn wenig tolerieren“, sagte ein Abgeordneter in der BBC. Blairs Getreue, darunter der Nordirlandminister Peter Hain und der ins Kabinett zurückgekehrte David Blunkett, warnten die Rebellen mit Hinweis auf die Fraktionsdisziplin, im Wahlprogramm festgelegte Reformprogramme zu blockieren.

Entscheidend wird sein, wie sich Schatzkanzler Gordon Brown verhält. Die Linke sieht in ihm das Werkzeug für einen Sturz Blairs. Doch Brown kann kein Interesse daran haben, durch eine linke Kabale an die Regierung zu kommen, die ihn zwingen würde, die von Blair so erfolgreich besetzte Mitte zu räumen. Nicht nur Blair-Loyalisten haben das Ende Margaret Thatchers durch eine solche Fraktionsrebellion vor Augen. Dieses hatte die Partei in einen tiefen Konflikt gestürzt, dessen Wunden bis heute nicht verheilt sind.

Blair hatte das Ungemach heraufbeschworen, als er im September ankündigte, er werde für einen vierten Wahlkampf 2009 oder 2010 nicht zur Verfügung stehen und so Spekulationen über den Zeitpunkt der Machtübergabe an den mutmaßlichen Nachfolger Brown auslöste. Nun macht der Verlust von 47 Labour-Parlamentssitzen bei der Unterhauswahl die Fraktion nervös.

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