zum Hauptinhalt

Politik: Kampfanzug und Schokolade

In Großbritannien wächst die Kritik an der Kriegsführung der USA

Das britische Fernsehen zeigt seine Truppen in diesen Tagen in der Rolle der Befreier. „Mister, Mister, English good“, habe ein Junge mit hochgestreckten Daumen gerufen, berichtet der Reporter des „Daily Telegraph“, Tim Butcher, aus Abu al Khasib bei Basra. Nach harten Kämpfen haben Royal Marines dort die Helme ausgezogen, damit sie weniger bedrohlich aussehen. Kindern werden Schokoladenriegel angeboten, Erwachsene dürfen Pflaumenknödel mit Vanillesoße probieren. Solche Stories werden in den Medien gezielt mit dem Vorgehen der Amerikaner kontrastiert. In London wächst das Misstrauen gegenüber der amerikanischen Kriegsführung, die dem Schutz der eigenen Soldaten absolute Priorität einräumt. Die Serie so genannter „friendly fire“-Zwischenfälle hat vor allem britische Soldaten das Leben gekostet. Ein Soldat, der Opfer einer solchen Attacke wurde, bezeichnete den amerikanischen Piloten als Cowboy. Ein englischer Kommandeur in Basra schimpfte, weil seine Truppe von amerikanischen Hubschraubern bei einem gefährlichen Kommando im Stich gelassen wurde.

Nach dem Terroranschlag auf vier amerikanische Soldaten bei einem Kontrollpunkt gab das Pentagon die Devise aus: „Jeder wird nun bis zum Beweis des Gegenteils als Kämpfer betrachtet.“ Es gab zwar keine offizielle britische Kritik an dem Zwischenfall, bei dem am Montag bei Nadschaf sieben Frauen und Kinder an einem Kontrollpunkt getötet wurden. Doch wenn britische Armeekreise nun gezielt an die lange Erfahrung mit Blauhelmmissionen und Polizeiaufgaben in Irland und auf dem Balkan erinnern, hat das durchaus kritische Nebentöne. Der britische Oberkommandierende, Luftmarschall Brian Burridge, zog auch Parallelen zum Kampf um Bagdad: „Wir müssen dort mit so großer Umsicht vorgehen wie in Basra, damit wir nicht mehr Schaden als nötig anrichten.“

Briten sind entsetzt über US-Pläne, irakischen Kämpfern in Zivilkleidung den Status von Kriegsgefangenen zu verweigern. Dies kommt zu den diplomatischen Differenzen, die sich in der Frage der irakischen Nachkriegsordnung und bei der Nahostpolitik abzeichnen. Washingtons aggressive Kritik an Syrien und Iran hat die britische Politik des konstruktiven Engagements mit diesen Ländern durchkreuzt.

Vor allem ist die Regierung Blair besorgt über die ihrer Ansicht nach verzerrte Darstellung des Konflikts in der arabischen Welt. London will hier gegensteuern. Blair hat eine Serie von Interviews in arabischen Zeitungen gegeben. In London wird auch immer offener die Taktik Saddam Husseins beschrieben, möglichst viele irakische Zivilopfer zu provozieren, um die internationale öffentliche Meinung zu gewinnen. Blair sagte am Mittwoch im Unterhaus, es werde „immer wahrscheinlicher“, dass die Bombe, die am Sonntag mehr als 50 Menschen auf einem Bagdader Marktplatz in den Tod riss, nicht von den Alliierten stamme.

Die britische Regierung brachte gestern auch Informationen in Umlauf, wonach Saddam Hussein Schiitenheiligtümer in Kerbela und Nadschaf selbst zerstören wolle, um so die Stimmung in der islamischen Welt weiter anzuheizen. In Nadschaf sollen sich irakische Kämpfer schon in Moscheen verschanzt haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false