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Politik: Kanzler gut, Parteichef mangelhaft

Die Linke in der SPD ist mit der Rede von Schröder zufrieden – im politischen Alltag fühlt sie sich aber ausgegrenzt

Von Antje Sirleschtov

NACH SCHRÖDERS REFORM–REDE

Dass es Protest von Links geben wird, darauf war die SPD-Führung vorbereitet. Und glaubt man Generalsekretär Olaf Scholz, dann hat der Bundeskanzler bei der Vorbereitung seiner Regierungserklärung vom Freitag dem zu erwartenden Protestgeschrei schon vorgebeugt. Die Positionen der Parteilinken, meinte Scholz am Wochenende ganz gelassen, seien in Schröders Reform-Rede gut vertreten. „Ich bin ziemlich sicher, dass das, was wir jetzt vorgelegt haben, breit in der Partei getragen wird“.

Ganz falsch liegt der Mann damit wohl nicht. Zwei Mal im Jahr, immer im Frühjahr und im Herbst, versammelt sich in Berlin das Forum Demokratische Linke 21 (DL 21), um zu prüfen, ob die eigene Partei noch den Grundsätzen von sozialer Demokratie folgt. „Zufall“, nennt es Forumschefin Andrea Nahles, dass der diesjährige Frühlingsgipfel ausgerechnet 24 Stunden nach Gerhard Schröders Erklärung stattfand. Und doch begrüßt sie die zeitliche Nähe. Denn so hatten die rund 50 versammelten SPD-Linken genügend realpolitischen Stoff, an dem sie ihren Kompass anlegen konnten.

Auf Partei-Kurs, befanden die Delegierten dabei, sei ihr Chef noch immer. Zumindest außenpolitisch stehe man „hundertprozentig hinter Gerhard Schröder“. Aber auch innenpolitisch verdammt die Linke den Kanzler nicht vollständig. „Erfreut“ habe ihn sogar, sagte Detlev von Larcher, dass Schröder „nun endlich damit beginnen will“, der Wachstumsschwäche in Deutschland makroökonomisch entgegenzuwirken. Dass er nicht weiter in den Abschwung hineinsparen, dass er sogar mit den Europäern über eine flexible Auslegung des Stabilitätspaktes verhandeln und noch dazu den Kommunen aus ihrer Finanzklemme heraushelfen will, das alles sei „gut und richtig“.

Ja, selbst bei den von Schröder angekündigten Einschnitten in das deutsche Sozialsystem wollten die Linken ihrem Kanzler die Gefolgschaft nicht gänzlich aufkündigen. „Wir wissen, dass wir den Sozialstaat umbauen müssen“, sagt Nahles. Das sei Konsens in der Partei.

Was die Basis allerdings „frustriert und verunsichert“, das sei der Eindruck, „dass sich nicht alle an diesem Umbau beteiligen müssen“. Etwa die Unternehmen, die zu wenig Steuern zahlen, oder die Beamten und Freiberufler, die sich an der Finanzierung der Gesellschaft zu wenig beteiligten oder die Reichen, denen die Einschnitte überhaupt nicht weh täten. „Wir vermissen eine soziale Balance“, fasst Nahles die rund dreistündige Debatte über die Rede des Bundeskanzlers zusammen.

Was die Linken indes beim Kanzler schmerzlicher vermissen, ist dessen Integrationswirkung als Parteichef. 1000 Austritte habe er im vergangenen Quartal hinnehmen müssen, klagt der Bezirksleiter von Hessen-Süd, Gernot Krumbach. Doppelt so viel, wie vor einem Jahr. Und die meisten seien gegangen, weil sie „irritiert von der Politik der Bundesregierung sind“. Will Schröder nun den Sozialstaat retten oder unterwirft er sich den Neoliberalen? „Es kann doch nicht sein“, sagt Nahles, „dass die Politik der Sozialdemokratie zum Eigentum von fünf oder sechs mediengeeigneten Gesichtern wird“. Kein Zweifel, die Linken fühlen sich ausgegrenzt und fürchten, dass sich die Parteibasis nicht mehr lange das Aneinanderreihen von „Gesetzgebungsreden“ des Kanzlers gefallen lassen will. „Wozu haben wir denn Parteitagsbeschlüsse“, fragt Nahles, „wenn sich der Parteichef nicht daran hält“. Etwa bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, der die SPD zugestimmt hat. „Aber ausdrücklich nicht, wenn die Arbeitslosenhilfe einfach auf Sozialhilfeniveau rasiert wird.“ Fazit: Die Genossen von DL 21 bewerten die Regierungserklärung des Bundeskanzlers Schröder gerade noch mit gut, die des SPD-Vorsitzenden Schröder dagegen mit äußerst mangelhaft.

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