zum Hauptinhalt

Politik: Kanzler warnt vor zu hohen Erwartungen

BONN .In einer "großen gesellschaftlichen Koalition", in deren Mittelpunkt das für Dezember angekündigte "Bündnis für Arbeit" stehen soll, will Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Massenarbeitslosigkeit bezwingen.

BONN .In einer "großen gesellschaftlichen Koalition", in deren Mittelpunkt das für Dezember angekündigte "Bündnis für Arbeit" stehen soll, will Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Massenarbeitslosigkeit bezwingen.In seiner ersten Regierungserklärung am Dienstag im Bundestag versprach er eine Modernisierung von Wirtschaft und Staat; er forderte mehr soziale Gerechtigkeit ein und mahnte, die innere Einheit des Landes voranzutreiben.

Schröder, der eine von der bisherigen Regierung hinterlassene finanzielle "Erblast" beklagte, kündigte eine Senkung der Lohnnebenkosten durch eine andere Steuer- und Abgabenpolitik an.Er wolle "Arbeit wieder billiger machen" und vor allem die Familien entlasten, sagte Schröder.In seiner zweistündigen Rede warnte der Kanzler vor überzogenen Erwartungen.Die bisherige Koalition habe "kein bestelltes Haus hinterlassen", deshalb sei ein "entschlossener Konsolidierungskurs notwendig", der aber sozial austariert bleiben müsse.Er rechnete vor, daß die Verschuldung des Bundes auf weit über eine Billion Mark angestiegen sei; jede vierte Mark, die der Bund an Steuern einnehme, müsse inzwischen für Zinszahlungen ausgegeben werden.

Trotz dieses von ihm gezeichneten düsteren Szenarios versprach Schröder, die Einschnitte beim Kündigungsschutz für Arbeitnehmer und auch bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die erhöhten Zuzahlungen bei Arzneimitteln wie die "Rentenkürzungen" bereits zum 1.Januar 1999 wieder aufzuheben.Und mit der geplanten Steuerreform werde den Unternehmen keineswegs "die Butter vom Brot" genommen.Die Regierung wolle vor allem mittelständische Unternehmen und Existenzgründer gezielt fördern - um die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu unterstützen.Dem diene auch die neue Energiesteuer, die beispielsweise Anreize für Zukunftstechnologien schaffe.

Schröder kündigte eine grundlegende Justizreform an, "damit der Bürger schneller zu seinem Recht kommt", er versprach eine Verdoppelung der Ausgaben für Bildung und Forschung in den nächsten fünf Jahren und skizzierte eine Energiepolitik mit dem schrittweisen Abbau der Atomkraft.Seine Mahnung zu einer Außenpolitik in "Konti-nuität" wurde in der Debatte von Außenminister Joschka Fischer aufgenommen, der mit Blick auf die europäische Integration auch die "Vorarbeit" des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl und von dessen Außenminister Klaus Kinkel würdigte.Insgesamt skizzierte der neue Regierungschef auch unter Hinweis auf den anstehenden Regierungs- und Parlamentsumzug nach Berlin aus seiner Sicht eine "Berliner Republik der Neuen Mitte".

Die Sprecher der Opposition, zuvorderst die Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) und Wolfgang Gerhardt (FDP), konzentrierten ihre Kritik am Start der neuen Bundesregierung auf deren Pläne zur Steuer-, Wirtschafts- und Finanzpolitik.Schäuble warf vor allem Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine vor, eine Politik "des leichten Geldes" zu betreiben.Nachdrücklich warnte der Oppositionsführer, der "die Oppositionsrolle kämpferisch und kritisch" annehmen will, die Regierung davor, die Geldwertstabilität in Deutschland und Europa aufs Spiel zu setzen.Wie Gerhardt beklagte er, daß die mit der angekündigten Steuerreform verbundene Netto-Entlastung erst im Jahr 2002 wirksam werden solle.Die Politik der Regierung sei "rückwärts gewandt".

Im Gegensatz zu CDU und CSU, die die Ausländerpolitik der Regierung heftig attackierten und ablehnten, deutete die FDP Unterstützung für ein "modernes Ausländerrecht" und auch für eine "maßvolle Änderung" der Drogenpolitik an.Kerstin Müller (Bündnisgrüne) drückte die Erwartung aus, die neue Regierung werde in der EU künftig nicht mehr Blockierer, sondern "Motor in Sachen Öko-Steuer" sein.PDS-Fraktionschef Gysi begrüßte die Pläne zur Rücknahme sozialer Einschnitte und die angestoßene Debatte über eine Reduzierung des Rentenalters auf 60 Jahre.

KLAUS J.SCHWEHN

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false