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Politik: Kanzleramt plant radikale Reformen Strategiepapier: Auf keinen Fall höhere Steuern – aber mehr Eigenbeteiligung bei Gesundheit und Rente

Berlin. Das Bundeskanzleramt plant umfassende Abgaben- und Steuerentlastungen sowie grundlegende Reformen der Sozialversicherungen, um das Vertrauen der Bürger wiederzugewinnen.

Von Lutz Haverkamp

Berlin. Das Bundeskanzleramt plant umfassende Abgaben- und Steuerentlastungen sowie grundlegende Reformen der Sozialversicherungen, um das Vertrauen der Bürger wiederzugewinnen. Das geht aus einem internen Strategiepapier hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. So sollen Krankenversicherte in Zukunft die Wahl von Tarifen mit Selbstbeteiligung haben. Mit Einschnitten müssen Rentner, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger rechnen. Gleichzeitig müsse „unmissverständlich klar werden, dass es auch im Falle weiterer externer Schocks nicht zu Steuer- oder Abgabenmehrbelastungen kommen wird“, heißt es in dem Papier.

Als grundlegendes Übel für die derzeitige Situation hat das Bundeskanzleramt neben der Staatsverschuldung die hohen Lohnnebenkosten ausgemacht. Folglich sollen diese Kosten für den Faktor Arbeit durch Maßnahmen, die „vor wenigen Monaten noch als Tabu galten“ dauerhaft gesenkt werden. So wird in dem Papier vorgeschlagen, für das Gesundheitswesen mehr Wettbewerbselemente einzuführen. Krankenversicherte sollen aus Wahltarifen mit Eigenleistungen wählen können. Außerdem seien Beitragsrückerstattungen für kostenfreie Jahre und andere Bonussysteme sinnvoll. Im Wahlprogramm der SPD wurde das noch mit dem Hinweis, eine Zwei-Klassen-Medizin verhindern zu wollen, kategorisch ausgeschlossen. Eine umfassende Gesundheitsreform wird für das Jahr 2003 angestrebt.

In der Rentenversicherung will das Kanzleramt den Weg der Eigenvorsorge weitergehen. Nur so sei „eine mittelfristige Senkung des Beitragssatzes“ möglich. Außerdem sei zu prüfen, ob durch Vorschläge der Rürup-Kommission der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung gesenkt werden könne, denn der Bund gebe „fast jeden dritten Euro für die Rente aus“. Einer Diskussion über „eine weitere Beteiligung der Rentner an der Rückführung der Ausgaben“ könne nicht ausgewichen werden, heißt es. Die Leistungen aus Sozialhilfe und bei Arbeitslosigkeit sollen „aus wirtschaftlichen Gründen und unter Gerechtigkeitsaspekten“ so reduziert werden, dass sich für Arbeitslose die Wiederaufnahme von Arbeit auch tatsächlich lohne. Auf der Ausgabenseite sieht das Papier weitere Kürzungen bei strukturerhaltenden Maßnahmen vor – gemeint sind hauptsächlich Landwirtschaft und Bergbau.

Mit einem „Masterplan Bürokratieabbau“ will das Bundeskanzleramt weitere Liberalisierungen beim Ladenschluss und Rabattgesetz durchsetzen. Existenzgründer sollen ebenso von allzu engen Vorschriften befreit werden wie das Arbeitsrecht, um neben dem „gegenwärtig nicht ausreichend gewürdigten“ Hartz-Konzept weitere Impulse für mehr Beschäftigung und Wirtschaftswachstum zu geben.

Ziel der Reformvorhaben soll sein, staatliche und unternehmerische Investitionen „zu entfesseln“ sowie den privaten Konsum anzukurbeln. Gleichzeitig dürfe vom Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht abgewichen werden. Die zwei ausstehenden Stufen der Steuerreform für 2004 und 2005 sollten aber keinesfalls erneut verschoben werden. Denn nur so könne Deutschland auf sozial gerechtem Weg wieder zu mehr Wachstum und Beschäftigung kommen.

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