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Wo geht’s nach oben? Klaus Wowereit (rechts) hat das Rote Rathaus verteidigt – manche Genossen meinen, er könne SPD-Chef Sigmar Gabriel (links) oder anderen potenziellen Anwärtern nun auch die Kanzlerkandidatur streitig machen.

© Davids/Darmer

Kanzlerkandidaten-Diskussion: Juso-Chef: "Wowereits Erfolg fällt natürlich ins Gewicht"

Der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt bringt im Interview mit dem Tagesspiegel Klaus Wowereit als möglichen SPD-Kanzlerkandidaten ins Gespräch.

Herr Vogt, was bedeutet Klaus Wowereits Wahlsieg in Berlin für den Kurs der Bundes-SPD?

Wowereits Sieg zeigt: Die SPD ist dann erfolgreich, wenn sie soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund stellt. Diesen Kurs sollte auch die Bundes-SPD konsequent verfolgen.

Mangelt es der SPD im Bund wirklich an sozialem Profil oder fehlen ihr nur Personen, die das Soziale auch glaubwürdig vertreten?

Wir gehen programmatisch in die richtige Richtung, aber wir gehen nicht weit genug. Unser Steuerkonzept zum Beispiel hat die richtige Stoßrichtung, weil es vor allem auf Bildungsinvestitionen setzt. Die vorgesehene Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent bei gleichzeitiger Streichung der Reichensteuer reicht aber nicht aus. Es ist in Zeiten der Finanzkrise nicht einzusehen, warum man gerade die Reichen schonen möchte. Mir ist auch nicht klar, wie wir im Wahlkampf erfolgreich vermitteln wollen, dass hohe Kapitaleinkünfte weiterhin niedriger besteuert werden sollen als normale Arbeitseinkommen. Hier muss nachgearbeitet werden.

Sascha Vogt (31) wurde im Juni 2010 als Nachfolger von Franziska Drohsel zum Bundesvorsitzenden den Jungsozialisten (Jusos) gewählt. Er gehört dem linken SPD-Flügel an.
Sascha Vogt (31) wurde im Juni 2010 als Nachfolger von Franziska Drohsel zum Bundesvorsitzenden den Jungsozialisten (Jusos) gewählt. Er gehört dem linken SPD-Flügel an.

© picture alliance / dpa

Bisher werden als mögliche Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und auch SPD-Chef Sigmar Gabriel genannt. Zählt Wowereit seit Sonntag auch zum engeren Kreis der Anwärter?

Es macht keinen Sinn, den Blick auf drei Personen zu verengen. Wenn man einen Kanzlerkandidaten sucht, sollte man sich auch anschauen, wer schon Wahlen gewonnen hat. Das muss eines der Kriterien sein. Klaus Wowereit zieht jetzt zum dritten Mal ins Rote Rathaus ein. Ein solcher Erfolg fällt natürlich ins Gewicht, vor allem weil er in einem für die SPD schwierigen politischen Umfeld erzielt worden ist. Wer die Grünen auf Abstand hält und die CDU dauerhaft auf Platz zwei verweist, muss ziemlich viel richtig gemacht haben.

Was spräche noch für einen Kanzlerkandidaten Wowereit?

Ich halte viel davon, dass wir erst ein wirklich sozialdemokratisches Programm erarbeiten und dann den Kandidaten suchen, der dazu passt. Es gibt ja mehrere sozialdemokratische Ministerpräsidenten, die eine erfolgreiche Politik machen.

Lesen Sie auf Seite 2, was die Bundes-SPD Vogt zufolge von Wowereit lernen kann.

Bisher hat es aber den Anschein, als mache die sogenannte Troika die Kandidatenfrage unter sich aus.

Ich halte es für fatal, dass dieser Eindruck entstanden ist. Es ist doch absurd, wenn sich im Willy-Brandt-Haus regelmäßig drei Herren zusammensetzen, um Entscheidungen zu treffen, die eigentlich in den dafür zuständigen Gremien fallen sollten. Man kann doch nicht einerseits eine Parteireform für mehr innerparteiliche Demokratie anstoßen und dann im kleinsten Kreis etwa über den Ablauf von Bundesparteitagen entscheiden. Das ist nicht glaubwürdig.

Was kann die Bundes-SPD von Wowereit lernen, wenn es um die Linkspartei geht?

Dass es nichts bringt, sie zu verteufeln, denn das macht sie nur stark. Ich halte deshalb auch nichts davon, vor Wahlen definitive Absagen an Regierungsbündnisse zu formulieren. Diese Ausschließeritis schadet nur. Wir müssen die Linke, da wo es Sinn macht, in die Arbeit einbinden.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hält die Linke im Bund nicht für regierungsfähig.

Da hat er derzeit ja auch nicht so unrecht. Ich kann mit einer Linken, die sich in rückwärtsgewandten Mauerrechtfertigungen ergeht, auch wenig anfangen. Aber das muss ja nicht so bleiben. Die Linkspartei steht vor einem Klärungsprozess, den können wir in Ruhe abwarten. Ich bin auf jeden Fall dagegen, schon jetzt festzulegen, dass wir mit einem klaren Nein zu einem Bündnis mit der Linken in den Bundestagswahlkampf ziehen.

Wie erklären Sie sich den Erfolg der Piratenpartei bei jungen Wählern und was kann die SPD dagegen tun?

Zunächst einmal muss man den Piraten zu diesem Erfolg gratulieren. Sie haben es mit einem innovativen und unkonventionellen Wahlkampf geschafft, viele junge Menschen zu begeistern. Die SPD muss verdeutlichen, dass sie sich um die Belange und Themen junger Menschen kümmert. Da werden wir Jusos Druck machen. Die SPD muss – nicht nur im Wahlkampf – weniger altbacken rüberkommen, sondern lebendig und kreativ zeigen, dass sie sich für die Interessen junger Menschen einsetzt. Wenn alte Männer von der Vorratsdatenspeicherung träumen und davon sprechen, dass das Internet voll ist, fühlen viele junge Menschen sich auch nicht ernsthaft vertreten.

Das Gespräch führte Stephan Haselberger

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