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Politik: „Kapitulation vor den USA“

Scharons Parteifreunde kritisieren die Annahme des Friedensplans – die Siedler sprechen sogar von Verrat

Von Charles A.Landsmann,

Tel Aviv

Am positivsten reagierte die Tel Aviver Börse. Nach der Zustimmung der israelischen Regierung zum Friedensfahrplan gingen die Kurse mit einem enormen Sprung von rund 7 Prozent nach oben – nach jahrelanger Talfahrt. Das Ganze scheint fast Ariel Scharons Begründung für die Annahme des Friedensfahrplans zu bestätigen: Der Premier hatte gesagt, eine Beruhigung der Sicherheitslage würde einen wirtschaftlichen Aufschwung auslösen. Selbst Scharons Konkurrent, Finanzminister Benjamin „Bibi“ Netanjahu, der noch zu Beginn der entscheidenden Regierungssitzung ankündigen ließ, er werde gegen den Friedensplan stimmen, konnte sich dem Argument nicht verschließen, dass Israels Wirtschaftskrise nicht zuletzt eine Folge der gewaltsamen Konfrontation mit den Palästinensern sei. Letzlich begnügte er sich mit Stimmenthaltung.

Andere Gegner des Friedensfahrplans am Kabinettstisch – die Nationale Union und die Nationalreligiösen – sehen sich mit dem Ruf ihrer Parteibasen nach einem Rückzug aus der Regierungskoalition konfrontiert. Der Likud hatte sich auf einem Parteitag kürzlich erst gegen den Widerstand Scharons für einen Antrag Netanjahus ausgesprochen, in dem ein Staat Palästina ausdrücklich abgelehnt wurde. Jetzt, nach der Billigung des Fahrplans, werden im Likud die Stimmen immer lauter, die von einer „Kapitulation vor den USA“ sprechen und verlangen, dass alle Minister und Abgeordneten, die dem Plan zustimmen, bei den kommenden Wahlen nicht mehr kandidieren können. Allerdings stellte am Montag der Parteijustitiar klar, dass Scharon als Regierungschef nicht an die Parteibeschlüsse gebunden sei. Die Mehrheit der Israelis akzeptiert nach einer Umfrage für die Zeitung „Jediot Achronot“ den Friedensplan. Zugleich glauben die meisten Israelis aber nicht, dass der Plan zum Frieden führt.

Die militanten Siedlerführer kündigten indes aktiven Widerstand an gegen die in der ersten Phase des Friedensfahrplans vorgesehenen Räumungen der über 100 illegalen Siedlungsvorposten, die während Scharons Amtszeit errichtet worden sind. Offenbar wollen sie es auf eine – bisher auch in ihren Reihen verpönte – gewaltsame Konfrontation mit den Soldaten ankommen lassen. Den Ton der radikalen Nationalisten gab der bekannte Siedlerführer Elyakim Haetzni an, der die Zustimmung zum Friedensplan als „nationalen Verrat“ verdammte.

Während über die Gefahr aus der nationalistischen Ecke in der Öffentlichkeit nicht gesprochen wird, meldeten sich am Montag erste Stimmen aus Sicherheitskreisen, die vor einer neuen Anschlagswelle warnen. Schon in den kommenden Tagen ist deshalb mit entsprechend erhöhten Sicherheitsvorkehrungen zu rechnen. Dies wiederum verhindert die von den USA geforderte Aufhebung der totalen Absperrung der palästinensischen Gebiete und auch die im Friedensfahrplan für die erste Phase vorgesehenen Erleichterungen im Alltagsleben der palästinensischen Bevölkerung.

Sowohl israelische als auch palästinensische Regierungskreise gehen von einem weiteren Treffen der Ministerpräsidenten Scharon und Mahmud Abbas in den nächsten zwei Tagen in Scharons Jerusalemer Amtssitz aus. Ein regionales oder Dreier-Gipfeltreffen unter Vorsitz des amerikanischen Präsidenten George W. Bush findet nun frühestens in der kommenden Woche statt, aber wohl nicht im ägyptischen Scharm al Scheich, sondern wahrscheinlich im jordanischen Akaba. Bis dahin wollen die Amerikaner von den Palästinensern erste konkrete Maßnahmen zur Terrorbekämpfung. Von Israel verlangt Washington humanitäre Erleichtungen für die palästinensische Zivilbevölkerung.

Charles A.Landsmann[Tel Aviv]

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