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Eine Femen-Aktivistin ist während der Weihnachtsmesse im Kölner Dom nackt auf den Altar gesprungen.

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Update

Weihnachtsgottesdienst in Köln: Femen-Aktivistin springt nackt vor Kardinal Meisner auf den Altar

Eine Femen-Aktivistin hat den Weihnachtsgottesdienst im Kölner Dom gestört. Ausgerechnet am 80. Geburtstag von Kardinal Meisner. Der gilt als erzkonservativ, im Vatikan hatte seine Stimme Gewicht. Doch unter Papst Franziskus schwand sein Einfluss zuletzt.

Ausgerechnet an Meisners Geburtstag: Kurz nach Beginn der Weihnachtsmesse im Kölner Dom stürmt eine Frau aus der ersten Reihe nach vorne und springt nackt auf den Altar. Nach Angaben der Kölner Polizei hatte sich die 20-jährige die Worte „I am God“ („Ich bin Gott“) auf den Oberkörper gemalt. Vor den Augen von Erzbischof Joachim Kardinal Meisner wurde die Frau von den Sicherheitskräften im Dom abgeführt.

Laut Informationen der Zeitung „Express“ soll die Frau zu den Femen-Aktivistinnen gehören und mit der Aktion gegen die sexistische und patriarchische Haltung von Kardinal Meisner protestieren.

Kardinal Meisner wird 80 Jahre alt

Am ersten Weihnachtstag feiert der Kölner Kardinal seinen 80. Geburtstag. Er hat dem Papst seinen Rücktritt angeboten, wie es üblich ist, wenn ein Bischof in der katholischen Kirche 75 oder 80 Jahre alt wird. Das Ende der Ära Meisner ist abzusehen. Ein ebenso mächtiger wie umstrittener Kirchenmann tritt ab, einer der brachialkonservativen Poltergeister, von denen es in der konsensorientierten Bundesrepublik nur noch wenige gibt. Joachim Meisner wurde 1933 in Breslau geboren und wuchs in Thüringen auf. Der Vater starb im Krieg, es blieben ihm die leibliche Mutter und Maria, die Mutter Gottes. Er brach eine Banklehre ab, studierte Theologie und wurde mit 29 Jahren Priester. In den 1970er Jahren hört ihn der Krakauer Kardinal Karol Wojtyla, der spätere Papst Johannes Paul II., predigen – was Meisners Karriere ungemein beflügelte. 1975 wurde er Weihbischof in Erfurt, 1980 Bischof von Berlin, 1983 Kardinal.

Kardinal Joachim Meisner feiert Weihnachten Geburtstag.
Kardinal Joachim Meisner feiert Weihnachten Geburtstag.

© dpa

Seit 1989 ist Meisner Kardinal in Köln

In der DDR war die katholische Kirche eine verschworene Minderheit. Dass „die da draußen“ anders tickten, war man gewohnt. Auch dass es Druck gab und man dagegenhalten musste. Das ist lange her, seit 1989 ist Meisner Kardinal in Köln. Doch mental ist er im Westen nicht angekommen. Geblieben ist eine tiefe Skepsis der Moderne gegenüber, der liberalen Demokratie mit ihrer Vielfalt an Lebensentwürfen und Meinungen. Meisners Maßstab ist nicht die Welt, sondern Gott. Gott freilich so, wie er, der Kardinal ihn aus der Bibel, aus den Lehrsätzen und der Geschichte seiner Kirche heraus interpretiert. Da gibt es keine Diskussionen. Meisner versteht sich als „Widerstandskämpfer Gottes“, als „Wachhund“.

Wenn der Kölner Kardinal predigt, beugt er den Rücken leicht nach vorn, richtet den Kopf mit der markant spitzen Nase konzentriert auf sein Publikum und fährt mit dem Zeigefinger nach vorne, als wolle er jedem einzeln vor die Brust tippen. Dann vergleicht er schon mal die Befürworter von Gentests an Embryonen mit dem biblischen König Herodes, der den Kindermord von Bethlehem anordnete. Oder nennt in einem Atemzug Abtreibung und Holocaust, Nazis und Atheisten. Nicht immer plant er die Provokationen, manchmal unterlaufen sie ihm einfach – aus rhetorischer Ungeschicklichkeit oder weil er sich von seinen Gefühlen mitreißen lässt. Denn Meisner ist kein gefühlloser Klotz. Ihm persönlichen Gespräch kann er freundlich und zugewandt sein. Aber die Wahrheit steht eben für ihn im Zweifel über der Barmherzigkeit.

Der Kölner Kardinal als Machtmensch

Meisner ist auch ein Machtmensch. Er hat ein feines Gespür für Gefahr und sich ein Netzwerk an Sympathisanten und Freunden aufgebaut. Bestimmte Freunde erhielten pünktlich jede Woche einen Anruf, manche einmal im Monat. „Schlimm sei es nur, wenn das Klingeln ausbleibe“, zitiert die Katholische Nachrichtenagentur einen Vertrauten. Denn wenn das Telefon still stand, konnte es sein, dass man in der Gunst gefallen war. Und davor hatten viele Angst – weit über Köln hinaus. Durch den guten Draht zu Papst Johannes Paul II. und auch zu Benedikt konnte Meisner Karrieren befördern und beenden. Weil er in Rom Druck gemacht hatte, mussten die katholischen Bischöfe vor 13 Jahren aus der Schwangerenkonfliktberatung aussteigen. Als Mitglied in der Römischen Bischofskongregation schaffte es Meisner auffällig oft, seine Schüler auf Bischofsstühlen zu platzieren. So geschehen in Würzburg, Hildesheim, Berlin und Dresden-Meißen.

Papst Franziskus hat das Denunziantentum beendet und damit auch Meisners Macht gebrochen. Als der Kölner Kardinal den Limburger Amtsbruder kürzlich mit einer Solidaritätsadresse zu Hilfe kommen wollte, fand er keine Unterstützung.

Vor 25 Jahren wehrten sich die Kölner mit Händen und Füßen, als ihnen der Papst Joachim Meisner schickte. Jetzt hat sich eine Initiative aus Kirchenmitgliedern und Priestern in einem offenen Brief an Papst Franziskus gewandt und ein Mitspracherecht bei der Wahl des Nachfolgers gefordert. Nächstes Jahr geht auch der Hamburger Erzbischof Werner Thissen in den Ruhestand. Die Bischofssitze in Freiburg, Passau und Erfurt sind bereits vakant. Eine ganze Generation tritt ab. Wo der Nachwuchs herkommen soll, ist unklar. (mit dpa)

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