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Politik: Kardinal Meisner rügt „Katholikenphobie“ Schreiben an Seelsorger im Erzbistum Köln Kirchenvolksbewegung sieht Glaubwürdigkeitskrise

Berlin - Der Kölner Kardinal Joachim Meisner sieht einen zunehmenden Hass auf Katholiken in der deutschen Öffentlichkeit. „In den vergangenen Wochen hat die Kirche in Köln einen Sturm erlebt, wie ich ihn in meinen Jahren als Bischof selten erlebt habe“, schrieb er am 5.

Berlin - Der Kölner Kardinal Joachim Meisner sieht einen zunehmenden Hass auf Katholiken in der deutschen Öffentlichkeit. „In den vergangenen Wochen hat die Kirche in Köln einen Sturm erlebt, wie ich ihn in meinen Jahren als Bischof selten erlebt habe“, schrieb er am 5. Februar an die Seelsorger im Kölner Erzbistum in einem Brief, der am Freitag bekannt wurde. „Die Häme und Aggression, mit der Teile der Öffentlichkeit und damit auch der öffentlichen Meinung uns begegnen, macht mit sehr betroffen.“

Meisner spricht von „Katholikenphobie“. Es gebe keine Religion oder Konfession, die „derart gezielt öffentlich angegriffen wird wie die katholische Kirche“. Er ruft die Seelsorger auf, mit „Tapferkeit auf ungerechtfertigte Vorwürfe“ zu reagieren und verweist auf Papst Benedikt XVI., der in einer Predigt am 6. Januar ausführte, dass „Tapferkeit nicht im Dreinschlagen besteht, in der Aggressivität, sondern im Sich-schlagen-Lassen und im Standhalten gegenüber den Maßstäben der herrschenden Meinungen. Der Mut des Stehenbleibens bei der Wahrheit ist unausweichlich bei denen gefordert, die der Herr wie Schafe unter die Wölfe schickt“. Gleichzeitig entschuldigt sich Meisner bei den Seelsorgern für den „Vertrauensverlust“ durch die Missbrauchsfälle. Nach dem Scheitern der Zusammenarbeit mit dem niedersächsischen Forensiker Christian Pfeiffer müsse die Kirche mit einem anderen Wissenschaftler die Fälle aufarbeiten.

Zugleich stellt Meisner klar, dass er in seiner Erklärung zur „Pille danach“ keine neue Lehrmeinung vertreten habe. Vor einer Woche hatte der Kardinal „nach einer Beratung durch Fachleute“ erklärt, dass er es für „vertretbar“ halte, wenn nach einer Vergewaltigung ein Präparat eingesetzt werde, das darauf abziele, die Zeugung und die Befruchtung der Eizelle zu verhindern. Bisher hatte die katholische Kirche die „Pille danach“ grundsätzlich abgelehnt, da sie das Medikament für eine Abtreibungspille hielt. Die konservativ-katholische Internetplattform „kath.net“ zitierte am Freitag J. M. Simón Castellví, den Vorsitzenden des „Weltverbandes Katholischer Ärztevereinigungen“, der den Eindruck hat, Meisner sei „von einigen Forschern mit ungenauen Informationen versorgt“ und seine Worte seien „manipuliert“ worden. „kath.net“ sieht die katholische Kirche ebenfalls von „Kathophobie“ umstellt.

Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, der keiner allzu großen Nähe zu Kardinal verdächtig ist, zeigte Verständnis für Meisners Kritik an einer feindlichen Haltung der Medien und der Öffentlichkeit gegenüber der katholischen Kirche. In dem Wort „Katholikenphobie“ sei zwar die Defensive spürbar, sagte Glück im „Kölner Stadt-Anzeiger“, aber es gebe in der Tat „aggressiv-antikirchliche Stimmungen“, die zum Teil aus schlechten Erfahrungen mit der Kirche rührten, zum Teil aber auch Ausdruck einer Entfremdung von der Dimension des Religiösen überhaupt sei. Wolfgang Klose, der Vertreter der Katholiken im Berliner Erzbistum, hält die Rede von „Katholikenphobie“ für übertrieben. Er nimmt vermehrt „Resignation“ in und außerhalb der Kirche wahr.

Christian Weisner, der Sprecher der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ bemängelt, dass es „fast keine Fernsehsendung mehr gibt ohne eine spitze Bemerkung gegenüber der katholischen Kirche“. Meisners Rede von „Katholikenphobie“ sei allerdings ein „Manöver, um von der Glaubwürdigkeitskrise der Kirche abzulenken“. Die Kirchenkrise sei vor allem eine Kirchenleitungskrise. Statt zu klagen, müssten sich die Bischöfe fragen, was sie selber tun können. Besorgniserregend sei, „dass sich die Gräben auch innerhalb der Kirche vertiefen“, sagt Weisner. So würden liberale Pfarrer vermehrt über Hassmails von konservativen Kreisen klagen und konservative Pfarrer über aggressive Post von der liberalen Seite. Claudia Keller

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