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Politik: Karlsruhe kippt das Verbot von Studiengebühren Richter: Bund hat Kompetenzen überschritten

Mehrere Länder wollen nun Studenten zahlen lassen

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Karlsruhe/Berlin - Die Bundesregierung darf den Ländern nicht verbieten, Studiengebühren einzuführen. Das entschied am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das damit der Klage von sechs Unions-Ländern stattgab. Auch die den Ländern von der rot-grünen Koalition auferlegte Verpflichtung, an den Hochschulen verfasste Studentenschaften einzuführen, ist nicht verfassungskonform. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sprach von einer schweren Niederlage der Bundesregierung.

Nach Ansicht der Karlsruher Richter hat Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) mit ihren Vorgaben an die Länder ihre Kompetenzen überschritten. Der Bund dürfe in der Bildungspolitik nur dann eingreifen, wenn die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland bedroht sei. Das sei aber durch die Einführung von Studiengebühren in der aktuell diskutierten Höhe – im Gespräch sind etwa 500 Euro je Semester – nicht gegeben, urteilten die Richter. Sie erwarten, dass Studiengebühren sozialverträglich bemessen werden. Bei der Wahl des Studienortes sind Gebühren nach Meinung der Richter im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten nachrangig. Das Gericht hielt Bulmahn vor, ihre Gründe für ein Gebührenverbot nicht ausreichend belegt zu haben. CSU-Generalsekretär Markus Söder forderte den Rücktritt der Ministerin.

Mehrere Länder wollen nun Studiengebühren erheben, Bayern etwa schon vom kommenden Wintersemester an. Auch Baden-Württemberg, Hamburg und Niedersachsen kündigten Gebühren an. Die SPD-Länder, darunter Berlin, wollen bislang keine Gebühren. Doch forderte Berlins SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin die sozialdemokratischen Länder auf, diese Haltung zu überdenken. Die große Koalition in Brandenburg erwägt zumindest die Einführung von Gebühren. Bulmahn warnte vor schnellen Alleingängen. Während die Hochschulrektoren und Wirtschaftsverbände das Urteil begrüßten, übten die Gewerkschaft GEW und das Studentenwerk Kritik. Studentenorganisationen kündigten Proteste an.

Die Unions-Länder betonten, dass die Gebührenmodelle „sozialverträglich“ sein sollten. Der Stuttgarter Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) will zinsgünstige Darlehen von der Landesbank finanzieren lassen, wie er dem Tagesspiegel sagte. Das Ausfallrisiko solle durch Fonds aus einem Teil des Gebührenaufkommens getragen werden. Auch die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) arbeitet an einem Kreditmodell, das sich zur Finanzierung von Studiengebühren eignen soll.

Das Verfassungsgericht stärkte mit seinem Urteil auch die Position der Länder im Föderalismustreit, gerade in der Bildungspolitik. „Der Bund ist im Hochschulbereich zu einer außerordentlich zurückhaltenden Gesetzgebung verpflichtet“, heißt es in der Urteilsbegründung. Sinn des Föderalismus sei es, den Ländern eigenständige „Kompetenzräume“ zu öffnen. SPD-Chef Franz Müntefering sieht dagegen in dem Urteil keine Auswirkungen für eine mögliche Neuauflage der Föderalismusreform. Dem widersprach der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD): „Wir sollten das Urteil nutzen, um mehr Klarheit zu schaffen bei der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Bund müsse sich bei der Bildungspolitik bewegen. Auch Stoiber forderte neue Gespräche als Folge aus dem Urteil.

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