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Politik: Karsai fordert Abzug der Nato

Afghanistans Präsident spricht vor Stammesvertretern vom „Ende der Toleranz“

Asadabad/Berlin - Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat die Nato mit deutlichen Worten zu einem Ende ihrer Militäreinsätze in seinem Land aufgefordert. „Wir sind sehr tolerante Menschen, aber jetzt ist unsere Toleranz zu Ende“, sagte Karsai am Samstag in der östlichen Provinz Kunar. Dort waren nach afghanischen Angaben in den vergangenen Wochen mehr als 70 Zivilisten bei Einsätzen der internationalen Truppen ums Leben gekommen.    „Wir wollen nicht, dass dieser Krieg noch länger fortgesetzt wird. Wir wollen nicht, dass solche Bombardierungen und solche Opfer sich wiederholen“, sagte Karsai bei einer Zeremonie in Asadabad. Der Krieg gegen den Terrorismus dürfe nicht in afghanischen Dörfern geführt werden.

„Ich bitte die Nato und die USA mit Ehre und Demut und nicht mit Arroganz darum, ihre Einsätze in unserem Land zu beenden“, sagte Karsai vor rund 500 Stammesvertretern in der Provinzhauptstadt Asadabad. Der Rede wohnten auch Angehörige getöteter Zivilisten und Vertreter der Nato bei. „Wir beschweren uns nicht, wenn wir von Terroristen getötet werden, aber wenn unsere Verbündeten das tun, haben wir das Recht dazu“, ergänzte der Präsident.

Karsai verurteilt regelmäßig tödliche Angriffe der Nato auf Zivilisten. Dabei ging er jedoch noch nie so weit, ein Ende der Militäreinsätze in seinem Land zu fordern. Zugleich schlug er in seiner Rede in Kunar aber auch versöhnliche Töne an. „Wir danken dem Westen und sind zufrieden mit dem, was er für uns alle getan hat“, sagte er. „Wir wollen Freunde des Westens bleiben, aber unsere Ehre darf nicht verletzt werden“, forderte er.

Ohne die Stammesgebiete an der afghanisch-pakistanischen Grenze direkt zu erwähnen, verwies Karsai in seiner Ansprache darauf, dass der „Krieg“ nicht in seinem Land stattfinde. „Wenn es sich um einen Krieg gegen Terroristen und den internationalen Terrorismus handelt, sollten sie ihn in den Regionen führen, die wir ihnen in den letzten neun Jahren gezeigt haben und die sie auch kennen“, sagte Karsai an die Adresse der Nato- Truppen.

Der Präsident weinte, als er ein Mädchen hochhob, das bei dem Nato-Angriff verletzt worden war, bei dem 65 Zivilisten getötet worden sein sollen. Es hat seitdem nur noch einen Arm. An die Vertreter der Nato gewandt sagte er: „Ich bitte Sie, Fotos von diesem kleinen Mädchen und seinen Verletzungen zu machen und sie Ihren Vorgesetzten zu zeigen.“ In den vergangenen Wochen waren nach Angaben aus Kabul 74 Zivilisten bei Einsätzen der unter dem Kommando der Nato stehenden internationalen Schutztruppe für Afghanistan in der Provinz Kunar getötet worden.

Bei einem Angriff kamen demnach 65 Menschen ums Leben, bei einem weiteren wurden neun Kinder beim Holzsammeln getötet. Für die Tötung der Kinder hatten sich bereits der Oberbefehlshaber der internationalen Streitkräfte, David Petraeus, und US-Verteidigungsminister Robert Gates entschuldigt. Angehörige der Toten, die der Rede Karsais beiwohnten, erhielten nach Angaben eines AFP-Reporters am Samstag eine finanzielle Entschädigung von afghanischen Behörden.

Die Bundeswehr wies indes den Vorwurf zurück, deutsche Soldaten hätten in der Provinz Kundus eine Zivilistin getötet. Das könne „derzeit nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden“, sagte ein Sprecher der Bundeswehr im regionalen Hauptquartier in Masar-i-Scharif am Samstag unter Berufung auf den vorläufigen Untersuchungsbericht. Die örtliche Polizei hatte den Deutschen vorgeworfen, die Afghanin im Distrikt Char Darah am vergangenen Mittwoch während eines Feuergefechts versehentlich erschossen zu haben. Der „Spiegel“ meldete unterdessen, dass der 21-jährige Bundeswehr-Soldat, der im Dezember versehentlich einen Kameraden in Afghanistan erschossen hatte, vorzeitig und sofort entlassen werden soll. dpa/AFP

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