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Politik: Kaschmir: Die Verlockungen des Friedens

Voll nervöser Hoffnung haben Indien und Pakistan das Gipfeltreffen ihrer Führer im Schatten des Tadsch Mahal beobachtet. Es ist besser gelaufen, als angenommen.

Voll nervöser Hoffnung haben Indien und Pakistan das Gipfeltreffen ihrer Führer im Schatten des Tadsch Mahal beobachtet. Es ist besser gelaufen, als angenommen. Nicht, dass nun plötzlich der Friede zwischen den seit Jahren tödlich verfeindeten Nachbarn ausbrechen wird. Aber nachdem Indiens Premierminister Atal Behari Vajpayee und Pakistans General Pervez Musharraf am Sonntag länger und entspannter konferiert haben, als erwartet und ihre Gespräche am Montag fortsetzen wollen, könnte das der Beginn einer neuen Ära sein: mit weniger Feindseligkeiten und mehr Normalität.

Dass ausgerechnet der Militär Musharraf sagte, es könne keine militärische Lösung für Kaschmir geben, ist erstaunlich. Zumal der General zunächst kundgetan hatte, dass die gegenwärtige Waffenstillstandslinie, die Kaschmir in eine größere indische und eine kleinere pakistanische Hälfte teilt, für ihn nicht diskutabel sei. Dabei drängen die USA und auch die meisten anderen westlichen Staaten darauf, sie zu einer permanenten, völkerrechtlich anerkannten, Grenze zu machen. Freilich hatten auch die Inder im Vorfeld des Gipfels ihre Maximal-Forderungen wiederholt: Kaschmir, auch der pakistanische Teil, sei ein fester Bestandteil Indiens, hatte Delhis Außenminister erklärt, und als der General am Samstag eintraf, hatte man ihn bis zur Unhöflichkeit spüren lassen, was man von ihm hält: Zur Begrüßung am Flughafen erschien nur der stellvertretende Eisenbahnminister.

Das von den Medien, aber auch von den Experten auf beiden Seiten schon fast beschworene Scheitern des Gipfels ist nicht eingetreten. Die Atmosphäre verbesserte sich im Gegenteil am Sonntag so deutlich, dass Musharraf Vajpayee zum Gegenbesuch nach Pakistan eingelud. "Der Wille kann Berge versetzen", meinte ein Beobachter, und entschlossen scheinen beide Seiten zu sein, sich über die Hürden der bisherigen Politik hinwegzusetzen. Nicht nur wegen der Verlockung, als Friedensstifter in die Geschichte einzugehen, sondern weil sich auf beiden Seiten die Einsicht durchgesetzt hat, dass es keinen wirtschaftlichen Fortschritt geben kann, solange Kaschmir den Subkontinent ausblutet.

Das gibt zu Optimismus Anlass. Aber es gab schon einmal große Hoffnungen. Dem von so viel Enthusiasmus begleiteten Gipfel in Lahore im Februar 1999 folgte schon bald die kalte Dusche: mit dem pakistanischen Überfall auf Kaschmir bei Kargil, dessen Architekt Pervez Musharraf war.

Gabriele Venzky

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