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Politik: Katholisch, aber nicht kirchlich: Anstelle der Amtskirche soll eine Stiftung nun die Schwangerenberatung sichern (Analyse)

Bislang ohnmächtige Zaungäste der jüngsten apostolischen Machtkämpfe, machen die katholischen Laien nun mobil. Ihre Notfallpläne liegen fertig in der Schublade, heute will das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sie in Fulda der Öffentlichkeit vorstellen.

Bislang ohnmächtige Zaungäste der jüngsten apostolischen Machtkämpfe, machen die katholischen Laien nun mobil. Ihre Notfallpläne liegen fertig in der Schublade, heute will das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sie in Fulda der Öffentlichkeit vorstellen. Nachdem Rom die deutschen Bischöfe angewiesen hatte, aus der §-218-Beratung auszusteigen, will das ZdK jetzt mit einer eigenen Initiative an die Stelle der vergatterten Amtskirche treten. Unter dem Titel "Donum vitae" plant das ZdK, Spenden zu sammeln und so über einen privaten Verein sowie eine Stiftung die Beratungsstellen unter ihre Fittiche zu nehmen. Diese wären dann zwar katholisch, aber nicht mehr offiziell kirchlich.

Also noch ein frommer Etikettenschwindel? Schließlich erscheint mit dem ZdK nun ein weiterer Akteur auf der Bühne mit dem Ziel, auf juristisch ausgeklügelte Weise den erklärten päpstlichen Willen und seine Umsetzung durch die Ortsbischöfe zu unterlaufen. Denn die 264 katholischen Beratungsstellen arbeiten nach dem sogenannten integralen Konzept: Familienberatung, allgemeine Schwangerschafts- sowie Konfliktberatung mit Schein sind unter einem Dach zusammengefasst. Wird nun die Scheinberatung vom ZdK-Verein übernommen, stünde künftig ein Zimmer in dem Beratungstrakt unter privater Trägerschaft katholischer Laien. Die übrigen drei, vier oder fünf Räume blieben - wie bisher - offiziell kirchlich. Ergebnis wird sein, dass sich allein die formal-juristische Konstruktion der Beratungseinrichtung ändert, die faktische Arbeit jedoch die Gleiche bleibt.

Diese Perspektive auf die ZdK-Initiative jedoch greift zu kurz. Denn in der reichen Vollversorgungskirche der Nachkriegszeit ist längst vergessen, dass der deutschen Laienkatholizismus schon einmal wesentlich bunter, eigenständiger, gesellschaftlich regsamer und politisch aktiver war, als in den letzten fünf Jahrzehnten. Diese Tradition, durch den Nationalsozialismus gebrochen, ist nach dem Krieg durch das Modell einer bischöflich-klerikalen Einheitskirche abgelöst worden. Die geschlossene Formation war das Ideal, die katholische Heerschau, nicht Pluralität und Eigenständigkeit der Laien. Bei dieser Schubumkehr im Verhältnis Bischöfe und Laien spielte das Geld eine zentrale Rolle. Während in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts die Kirchenabgaben auf Gemeindeebene eingesammelt und von unten nach oben verteilt wurden, geschieht dies seit dem Krieg und dem zentralen bundesrepublikanischen Kirchensteuersystem nun von oben nach unten. Darum sind es heute allein die Bischöfe und nicht beispielsweise lokale Pfarrbezirke, welche für die Schwangerenkonfliktberatung die nötigen Mittel zur Verfügung stellen.

Insofern ist die ZdK-Aktion mehr als nur ein weiterer kanonischer Winkelzug. Sie bietet die Chance, an sozial präsentere und selbstbewusstere Phasen des Laienkatholizismus aus der Vorkriegszeit wieder anzuknüpfen. Die Schwierigkeiten sind beträchtlich. Das katholische Milieu ist dünn geworden. Zu welcher gesellschaftlichen Kraftentfaltung es noch fähig ist, das werden die kommenden Monate in ungeschönter Klarheit zeigen - auch wenn finanzielle Hilfsbereitschaft nach wie vor zu den Markenzeichen der deutschen Gesellschaft gehört. Zumindest aber der innerkirchlichen Demokratie wird diese Aktion gut bekommen. Denn die 1945 entstandene Konzentration kirchlicher Finanzkontrolle in bischöflicher Hand ist kein eherner biblischer Grundsatz. Die Mitsprache der Laien ist viel zu gering. Und dieser Mißstand wird durch die ZdK-Initiative zwangsläufig wieder auf die innerkatholische Tagesordnung kommen.

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