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Zollitsch

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Katholische Bischöfe: Keine Denkverbote

Seit 1990 gibt es in der katholischen Kirche rund 30 Prozent weniger Priester. Robert Zollitsch, der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz, bringt frischen Wind in die Glaubensgemeinschaft. Er stellt - schon seit längerem - den Zölibat zur Diskussion.

Robert Zollitsch setzt Akzente. Vieles, was er in seinen ersten Amtstagen öffentlich gesagt hat, hat er auch schon als Freiburger Erzbischof geäußert oder als langjähriger Personalchef dieser zweitgrößten katholischen Diözese gedacht. Als Vorsitzender der Bischofskonferenz allerdings bekommen seine Ansichten jetzt ein weit höheres Gewicht. Und sie lassen aufhorchen: Beim Thema Zölibat dürfe es keine Denkverbote geben, erklärte er am Wochenende gleich in mehreren Interviews. Die Verbindung zwischen Priestertum und Ehelosigkeit sei für die Priestertätigkeit zwar positiv, theologisch aber nicht zwingend – eine Meinung, die unter Fachleuten als pure Selbstverständlichkeit gilt. Der Pflichtzölibat ist im Neuen Testament nicht erwähnt, die meisten Jünger Jesu waren verheiratet. Rechtlich verbindlich eingeführt wurde er erst im Mittelalter, und zwar nur in der römischen Kirche des Westens. Die orthodoxe Kirche dagegen kennt bis heute bei Priestern keinen Zölibat, nur bei Bischöfen und Mönchen.

Wenn es nach Zollitsch ginge, wäre die Ehelosigkeit der Pfarrer primär eine freiwillige Lebensregel und keine weltweit verbindliche kirchenrechtliche Vorschrift. Als früherer Direktor und langjähriger Personalchef weiß er, welche Schattenseiten der Pflichtzölibat auch mit sich bringt: mancher junge Priesteranwärter wird mit der frühen Lebensentscheidung zur Ehelosigkeit seelisch überfordert, andere Priester führen später heimliche Beziehungen. Und immer weniger wollen überhaupt noch unter diesen Vorzeichen in den Priesterberuf.

So ist in den letzten 15 Jahren die Zahl der in Pfarrdienst tätigen Geistlichen in Deutschland von rund 15 000 auf rund 10 800 gesunken – eine Abnahme um 4200 oder fast 28 Prozent. Geht die Entwicklung so weiter, wird sich innerhalb einer Generation die Zahl der aktiven Priester mehr als halbieren. Zwar ist im Gegenzug die Zahl der Ständigen Diakone und Laientheologen im Gemeindedienst deutlich gestiegen, insgesamt jedoch läuft die deutsche katholische Kirche in eine pastorale Sackgasse hinein. Der absehbare hochgradige Priestermangel wird alle Bischöfe zwingen, immer mehr Gemeinden zusammenzulegen und damit die verbleibenden Priester immer systematischer zu überfordern – ein Abwärtsspirale nach unten. Was Zollitsch vorschwebt, sind pragmatische, ortsnahe Lockerungen, sprich die Weihe verheiratener, in Ehe und Beruf bewährter Männer, sogenannter viri probati. Denn der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz befürchtet zu Recht, eine generelle Abschaffung des Pflichtzölibats könnte zu einem Auseinanderbrechen der katholischen Kirche führen. Eine Abkehr davon wäre „eine Revolution, bei der ein Teil der Kirche nicht mitginge“, sagte er dem „Spiegel“. Vor allem die in Moralfragen konservativen Kirchen in Afrika und Lateinamerika, aber auch zum Beispiel die polnische oder spanische Kirche könnten mit der katholischen Zentrale in Rom brechen. Darum kann in den Augen Zollitschs nur ein Konzil über eine Änderung dieser kirchenrechtlichen Vorschrift befinden.

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