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Katholische Kirche: Missbrauchsfälle: Druck auf den Papst wächst

Deutsche Katholiken fordern Aufklärung von Papst Benedikt XVI. über seinen Umgang mit Missbrauchsfällen in kirchlichen Einrichtungen. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger bekräftigte unterdessen ihre Forderung nach einem runden Tisch zur Aufarbeitung.

Rom/München/Berlin - Papst Benedikt XVI. gerät unter Druck. Er soll preisgeben, was er selbst über Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen wusste, als er noch Münchner Erzbischof war.  Eine solche Stellungnahme des Papstes wäre ein hilfreiches Zeichen, sagte der Sprecher der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“, Christian Weisner, am Sonntag in München. „Denn totale Offenheit ist der einzige Weg, das Vertrauen in die Amtskirche und vor allem in die Kirchenleitung wiederherzustellen.“

Als Zeichen der Reue könnte die Deutsche Bischofskonferenz eine gut dotierte Stiftung zur Vorbeugung gegen sexuellen Missbrauch gründen, sagte Weisner. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bekräftigte unterdessen ihre Forderung nach einem runden Tisch zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU) und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles plädierten für ein solches Gremium.  

Nach dem Bekanntwerden neuer Fälle außerhalb der katholischen Kirche, am hessischen Eliteinternat Odenwaldschule, kündigte Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) vorbeugende Maßnahmen gegen Missbrauch in Schulen an. Der „Bild am Sonntag“ sagte sie: „Ich werde in den nächsten Tagen mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz und den Vorsitzenden der Lehrerverbände darüber beraten, welche konkreten Maßnahmen wir ergreifen, um weiteren Fällen von Missbrauch vorzubeugen, Opfern zu helfen und damit Vertrauen auch bei Eltern wiederherzustellen.“

In einer Notiz der vatikanischen Tageszeitung „Osservatore Romano“ hatte der Vatikan am Wochenende vor allem mögliche Fälle bei den Regensburger Domspatzen thematisiert, die von 1964 bis 1994 von Georg Ratzinger, dem Bruder des Papstes, geleitet wurden. Der Heilige Stuhl unterstütze die Diözese in deren Bemühungen, im Sinne der Vorgaben der Deutschen Bischofskonferenz „die schmerzliche Frage entschieden und in offener Weise zu untersuchen“, heißt es in dem namentlich nicht gezeichneten Text.

Der 86-jährige Papstbruder sagte in einem Interview mit der römischen Tageszeitung „La Repubblica“ erneut, er habe keine Kenntnis von Missbrauchsfällen bei dem weltberühmten Knabenchor. Dennoch stünde er eventuellen Ermittlungen als Zeuge zur Verfügung. „Obwohl ich hoffe, dass mein Chor keinen Schaden nimmt, ist es in meinem Interesse, dass Licht in die Sache gebracht wird“, so Ratzinger weiter.  Gleichzeitig kritisierte er den öffentlichen Umgang mit den Missbrauchsfällen. „Ich spüre teilweise eine Feindseligkeit der Kirche gegenüber, die bewusste Intention, schlecht über die Kirche zu reden.“

Der „Bild“-Zeitung sagte Ratzinger: „Bei uns ging es streng zu, aber das war nötig, weil ja Leistung gefordert wurde.“ Damit stößt er auf Widerspruch: „Warum der Papstbruder Georg Ratzinger, der seit 1964 Domkapellmeister war, davon nichts mitbekommen haben soll, ist mir unerklärlich“, sagte Regisseur und Komponist Franz Wittenbrink, der im Regensburger Internat der Domspatzen bis 1967 lebte, dem Magazin „Der Spiegel“. Er sprach von einem „ausgeklügelten System sadistischer Strafen verbunden mit sexueller Lust“. Der damalige Internatsdirektor habe sich „abends im Schlafsaal zwei, drei von uns Jungs ausgesucht, die er in seine Wohnung mitnahm“. Dort habe es Rotwein gegeben, der Priester habe mit Minderjährigen masturbiert. (dpa/ddp)

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