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Kaukasus: Sieben Tote bei Anschlag in Dagestan

Bei der Explosion vor einer Kaserne in Machatschkala reißt ein Selbstmordattentäter mindestens sechs Menschen mit in den Tod.

Moskau - Mindestens sechs Tote und 20 zum Teil schwer Verletzte – das ist die Bilanz eines Selbstmordattentats in Machatschkala, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Dagestan. Der mit Sprengstoff bestückte Wagen des Selbstmordattentäters hatte ein Streifenfahrzeug der Verkehrspolizei gerammt, die anschließende mächtige Detonation am Tor einer Polizeikaserne riss einen metertiefen Krater. Ganze vier Stunden später wurde auf der Bahnstrecke, die von Machatschkala ins aserbaidschanische Baku führt, ein weiterer Sprengsatz aus zehn Kilogramm Dynamit entschärft. Der Zugverkehr musste vorübergehend eingestellt werden. In den russischen Medien wurden die beiden Ereignisse nur am Rande zur Kenntnis genommen. Denn aus Dagestan, Russlands südlichstem Vorposten im Nordostkaukasus, kommen fast täglich Meldungen zu Überfällen auf staatliche Einrichtungen und deren Mitarbeiter.

Die Eskalation von Terror und Gewalt lässt sich nicht allein damit erklären, dass islamische Extremisten nach der umstrittenen Befriedung Tschetscheniens ihre Basislager in den Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan aufgeschlagen haben. In beiden Regionen erntet Russlands Präsident Dmitri Medwedew auch die Saat einer verfehlten Kaukasuspolitik seiner Vorgänger.

Vor allem in Dagestan rächt sich bitter, dass der damalige Präsident Wladimir Putin 2005 die Wahlgesetzgebung änderte. Die bis dahin frei gewählten Provinzfürsten werden seither vom Kreml ernannt. Die Neuregelung ist selbst in „gewöhnlichen“ Regionen umstritten, wo ethnische Russen, die sich zum orthodoxen Christentum bekennen, den Großteil der Bevölkerung ausmachen. Für Dagestan ist sie indes pures Gift.

Auf einem Gebiet, das kleiner ist als Baden-Württemberg, rangeln Dutzende Völker und Volksgruppen, die sich noch dazu zu unterschiedlichen Nebenrichtungen des Islam bekennen, um Acker- und Weideland, um die ähnlich knappen Arbeitsplätze und um politischen Einfluss. Denn der uralte und nicht einmal von den Sowjets angetastete Verteilungsschlüssel, mit dem die Führer der ethnisch organisierten Clans den Zugriff der Volksgruppen auf Ämter und damit auf Staatsgelder regelten, wurde durch Putins Novelle Makulatur.

Mehr noch: Auf Druck Moskaus musste der dagestanischen Staatsrat – die kollektive Regierung der Republik, in die die 14 größten Ethnien je einen, halbwegs demokratisch gewählten Vertreter entsandten – 2006 die Selbstauflösung beschließen und alle Macht in die Hände des von Moskau ernannten Reichsverwesers legen: Mucha Alijew. Er ist bei der Bevölkerung allein schon deshalb extrem unpopulär, weil er zur Volksgruppe der Awaren gehört. Es ist die mit Abstand größte Volksgruppe, die auch Polizei- und Sicherheitsorgane kontrolliert und damit ihre Interessen mehr oder minder rigoros durchsetzt. Elke Windisch

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