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Politik: Kaum einer mit sauberen Händen

"Tangentopoli" hat nicht nur eine Justizrevolution ausgelöst, sondern auch eine politische Revolution. Die Ermittlungen und Prozesse brachten das italienische Parteiensystem gründlich in Bewegung.

"Tangentopoli" hat nicht nur eine Justizrevolution ausgelöst, sondern auch eine politische Revolution. Die Ermittlungen und Prozesse brachten das italienische Parteiensystem gründlich in Bewegung. Wenn Kommunistenchef Fausto Bertinotti von einem "Erdbeben" spricht, dann trifft er den Nagel auf den Kopf. Abgesehen von den Kommunisten und den Neofaschisten blieb keine andere Partei von den Ermittlungen der "Sauberen Hände" verschont. Ein Großteil des politischen Personals der Christdemokraten, der Sozialisten und Liberalen sowie der Republikaner verschwand von der Bildfläche, floh ins Ausland oder landete hinter Gittern. "Der Wegfall einer ganzen politischen Klasse", so Giuseppe De Rita, Präsident des römischen Sozialforschungsinstituts Censis, "führte zur zweiten Republik".

Heute sieht das anders aus. "Die Gespenster der Vergangenheit" ("La Repubblica") kehren wieder, jene Politiker, die von den "Sauberen Händen" als korrupt überführt wurden, versuchen jetzt wieder mitzumischen. Bei den Sozialisten, den Christdemokraten, vor allem aber bei Berlusconis Partei Forza Italia. Durch Claudio Martelli beispielsweise. Er war unter Bettino Craxi die Nummer zwei bei den Sozialisten. Nach langen Prozessen verschwand er in der Versenkung, gilt heute aber als einer der prominentesten Neu-Sozialisten und wettert wortreich gegen Korruption in der Politik. Oder auch Gianni De Michelis. Er gehörte ebenfalls zum engen Kreis von Craxi, war Aussenminister und wurde wegen illegaler Parteienfinanzierung verurteilt. Seit kurzem tritt er als außenpolitischer Experte auf. Auch durch ihre Prozesse berühmtgewordene Christdemokraten geben sich inzwischen als weise "elder statesmen", die nicht mehr gern auf ihre Verfehlungen während der Zeit der ersten Republik angesprochen werden wollen.

Thomas Migge

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