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Politik: Kaum Hoffnung auf freie Wahlen

Nach dem Tod des Diktators Nijasow wird dessen Kurs in Turkmenistan offenbar fortgesetzt

Kein Geringerer als Premier Michail Fradkow – in der Hierarchie die Nummer zwei – vertrat Moskau bei der pompösen Beisetzung des turkmenischen Diktators Saparmurat Nijasow am Sonntag. Unterdessen spielten Russlands Gasbarone diverse Krisenszenarios durch. Denn ein politischer Kurswechsel in der zentralasiatischen ehemaligen Sowjetrepublik wäre für den staatsnahen Monopolisten Gasprom der Super-GAU.

Allein die Ölvorkommen des Wüstenstaates werden auf 81 Milliarden Barrel, die Gasvorräte sogar auf 5,5 Billionen Kubikmeter geschätzt. Gasprom sicherte sich an der Jahresförderung, die gegenwärtig bei 50 Milliarden Kubikmetern liegt, 2001 für 25 Jahre den Löwenanteil. Vier Fünftel: jährlich 40 Milliarden Kubikmeter. Eine prowestliche Regierung in Aschgabat, so Moskaus Ängste, könnte nicht nur den Preis von momentan 100 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter kräftig in die Höhe treiben, sondern auch die Lieferabkommen kündigen. Für den russischen Binnenmarkt wäre das ein Desaster: Was Gasprom in der Heimat fördert, wird fast ausschließlich exportiert.

Inzwischen haben die Albträume für den Kreml jedoch einiges an Schrecken verloren. Die Politik Nijasows, der 21 Jahre lang mit eiserner Hand regiert hat und sich von seinen fünf Millionen Untertanen wie ein Gott verehren ließ, werde fortgesetzt, verkündete der designierte Nachfolger: Kurbanguli Berdymuhamedow, der bis zu Neuwahlen am 11. Februar als Interimspräsident amtiert und auf Platz eins der Kandidatenliste steht, auf die sich der Volksrat am Dienstagabend einigte.

Dessen 2507 Mitglieder sind nicht einmal notdürftig legitimiert, weil nicht gewählt, sondern von Nijasow ernannt. Offiziell ist er alleinige Quelle der Macht und zugleich deren Kontrollorgan – doch der Volksrat hatte schon bei Nijasow keine realen Befugnisse und nur beratende Funktion. Momentan steuern ihn die Granden der Präsidentengarde: Eine Art Junta, die auch Berdymuhamedow als Nachfolger Nijasows durchdrückte und offenbar auch die Legende in Umlauf brachte, dieser sei ein unehelicher Spross des Diktators. Der ehemalige Zahnarzt und langjährige Gesundheitsminister – aus Angst vor Rivalen jagte Nijasow Spitzenbeamte gewöhnlich nach sechs Monaten aus dem Amt – gilt als konfliktscheu. Der neue Staatschef könnte aber vor allem dann gefordert sein, wenn es um Zugriff auf die milliardenschweren Konten bei westlichen Kreditinstituten geht, auf denen Nijasow die Erlöse aus den Energieexporten geparkt hat. Am häufigsten fällt turkmenischen Regimegegnern dazu die Deutsche Bank ein. Vertreter der Opposition forderten westliche Staaten bereits auf, die Konten zu sperren und von den Machthabern in Aschgabat faire und demokratische Wahlen zu verlangen.

Die Chancen dazu tendieren momentan gegen null. Unter den insgesamt sechs nominierten Bewerbern ist kein Vertreter der Opposition. Mehr noch: Aschgabat drohte sogar mit Abschuss der Maschine, die Regimekritiker schon für die Rückkehr in die Heimat gechartert hatten.

Die Bundesregierung, die sich während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft verstärkt um Zentralasien kümmern will, könnte daher schnell gefordert sein. Auch, weil bisher nichts auf eine Freilassung der politischen Gefangenen hindeutet. Die Rede ist von mehr als 7000 Gefangenen, darunter auch Ex-Außenminister Boris Schichmuradow, dem ein Putschversuch im November 2002 vorgeworfen wird. Regimekritiker und Experten behaupten, das missglückte und dilettantisch ausgeführte Attentat sei von Nijasow selbst inszeniert worden.

Dass demokratische Veränderungen eher unwahrscheinlich sind, zeigt auch, dass der Volksrat, um Berdymuhamedow durchsetzen zu können, gleich nach Nijasows Tod die Verfassung umschrieb. Denn die sieht als Interimspräsidenten den Parlamentschef vor. Der und 120 weitere Spitzenbeamte, darunter auch der Verteidigungsminister, wurden inzwischen verhaftet.

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