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Politik: „Kaum Spielraum bei Lohnnebenkosten“

Müntefering hält Senkung bis 2006 für unwahrscheinlich / Mittelfristig Steuerausfälle bis zu 89 Milliarden Euro

Berlin (dpa). SPDFraktionschef Franz Müntefering sieht in den nächsten vier Jahren kaum Spielraum für eine Senkung der Lohnnebenkosten. Das Hauptziel müsse die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme sein, sagte er am Sonntag. Erst mit mehr Wachstum werde es auch wieder Luft für niedrigere Lohnnebenkosten geben. Müntefering wies darauf hin, dass sich die Pflegeversicherung auf eine „problematische Zone“ zubewege. Skeptisch sieht Müntefering auch die Möglichkeiten für eine weitere Erhöhung des Kindergeldes. Dies gehe erst, „wenn wieder mehr Geld in der Kasse ist“.

Die Bundesregierung erwartet allerdings in Folge der Konjunkturschwäche auch mittelfristig riesige Steuerausfälle. Wie der „Spiegel“ berichtet, fehlen nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums Bund, Ländern und Gemeinden 2002 bis 2006 im Vergleich zur letzten Steuerschätzung vom Mai 89 Milliarden Euro. Das hätten die Fachleute des Ministeriums im Vorfeld der Herbstschätzung am Dienstag errechnet, berichtet das Magazin. Bund, Ländern und Gemeinden fehlten 2002 und 2003 je 16 Milliarden Euro. Steuerschätzer Alfred Boss vom Kieler Institut für Weltwirtschaft hatte für beide Jahre zusammen sogar Einbußen von etwa 45 Milliarden gegenüber der Mai-Erhebung genannt. Mit 1,0 Prozent Wirtschaftswachstum in 2003 Jahr bleibt der Sachverständigenrat der „Fünf Weisen“ skeptischer als die Bundesregierung, die etwa von 1,5 Prozent ausgeht. Dieses vom „Spiegel“ gemeldete Ergebnis – die Institute waren kürzlich von 1,4 Prozent ausgegangen – wird die Schätzung erneut nach unten ziehen.

Müntefering sagte, bei den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung werde es im Laufe der Wahlperiode möglicherweise zwar eine Entlastung geben. Die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung würden kaum deutlich zurückgehen. „Wenn man das alles zusammenzählt, dann kann sich da nicht ganz so viel bewegen. Da muss man ehrlich sein“, sagte Müntefering. Das Sozial- und Gesundheitsministerium hatte am Samstag einen Bericht zurückgewiesen, wonach 2003 in der Pflegeversicherung eine Erhöhung der Beitragssätze droht. „Das ist Panikmache“, sagte eine Sprecherin. Der „Focus“ zitierte dazu das Mitglied im Sachverständigenrat von Sozialministerin Ulla Schmidt, Friedrich-Wilhelm Schwartz. Nach seiner Ansicht müsse bereits Ende des Jahres über eine Anhebung des derzeitigen Beitragssatzes (1,7 Prozent) „um 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte“ diskutiert werden.

Unterdessen rüstet die Gesundheitslobby zu massiven Protesten gegen Schmidts Sparkurs. Bereits am heutigen Montag wollen rund 15 000 Zahntechniker in Berlin gegen die Kürzungen demonstrieren. Für Dienstag haben 40 Gesundheitsverbände und die Deutsche Krankenhausgesellschaft eine Protestkundgebung in der Hauptstadt angekündigt. Schmidt will die Ausgaben für Ärzte und die Kliniken 2003 einfrieren.

Nach führenden Unionspolitikern drohte auch der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) damit, das rot-grüne Sparpaket abzulehnen, wenn die Eigenheimzulage wie geplant gekürzt wird. Er forderte Nachbesserungen zu Gunsten von Kinderlosen und Familien mit Durchschnittseinkommen. Sonst werde Niedersachsen im Bundesrat mit Nein stimmen. Die Eigenheimzulage soll von 9,5 Milliarden Euro auf sechs Milliarden Euro im Jahr 2010 schrumpfen. Kinderlose sollen demnach keinen Anspruch mehr auf die Finanzspritze haben.

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