zum Hauptinhalt

Kein Durchbruch: Hartz-IV-Verhandlungen sind ein "zähes Ding"

Hartz IV-Streit ohne Ende: Nach einer zehnstündigen Nachtsitzung von Regierung und Opposition bleibt immer noch offen, ob die geplante Neuregelung an diesem Freitag vom Bundesrat verabschiedet werden kann.

Fast zehn Stunden Nachtsitzung - und immer noch kein Ergebnis im Hartz-IV-Streit. „Das ist ein zähes Ding“, zeigte sich Grünen-Chef Fritz Kuhn am Montag gegen vier Uhr früh leicht genervt vor den wartenden Journalisten. Kuhn: „Ich denke, wir sollten jetzt alle schlafen gehen.“ Die Fortsetzung folgt gleich am Dienstagabend - wenn zuvor Koalition wie Opposition ihre Partei- und Fraktionsgremien informiert haben.

Trotz Annäherungen zwischen Regierungslager und SPD und Grünen bei vielen Details hakt es noch immer an allen Ecken und Enden. Auslöser des erneuten Wunsches nach einer Auszeit zu früher Stunde war die Forderung der Opposition, bei der Berechnung des Hartz-IV-Regelsatzes die sogenannten Aufstocker außen vor zu lassen. Die Folge: Die Unterstützung für die Langzeitarbeitslosen würde nicht um 5 Euro sondern um 11 Euro auf dann 370 Euro monatlich steigen. Mehrkosten für den Bund: Rund eine halbe Milliarde Euro.

Begonnen hatte die Marathonsitzung am Sonntagabend mit buchstäblich schwerer Kost: Als sich die Verhandlungsdelegationen von Koalition und Opposition in der Hamburger Landesvertretung in Berlin einfanden, wurde zunächst ein Abendessen aufgetischt: Maronencremesuppe mit Speck, Rindsrouladen mit Brokkoli und gefüllte Pfannkuchen zum Nachtisch. Die Stärkung war nötig, denn man hatte sich eine lange Nacht vorgenommen. Sie sollte eigentlich den Durchbruch bringen.

„Wir müssen mit aller Kraft zu einer Lösung kommen“, beschwor Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Runde. Doch SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig dämpfte sogleich zu hohe Erwartungen: „Wir wollen eine Lösung, aber keinen faulen Kompromiss.“ Äußerst skeptisch reagierten SPD und Grüne auf das „großzügige Angebot“ der Bundesregierung zur finanziellen Entlastung der Kommunen, das von der Leyen zu Beginn präsentierte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den Vorstoß, der Bewegung in die festgefahrenen Gespräche bringen sollte, eingefädelt. Doch wirklich neu war er nicht. Denn Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte schon Anfang November vergangenen Jahres den Kommunen angeboten, die Kosten für die Grundsicherung armer Rentner komplett zu übernehmen - dafür aber Entgegenkommen bei der Reform der Gemeindesteuern verlangt. „Zweimal das gleiche Geschenk, einmal zu Weihnachten, einmal zu Ostern“, spottete ein SPD-Unterhändler.

Das Angebot des Bundes sah auf den ersten Blick verlockend aus: Statt 16 Prozent der Kosten für die Rentner-Grundsicherung will er künftig den ganzen Betrag übernehmen. Derzeit sind dies knapp vier Milliarden Euro. Doch da die Zahl der armen Rentner weiter steigen dürfte, können daraus bis 2020 mehr als 7 Milliarden Euro pro Jahr werden.

Die Opposition findet die Entlastung der Kommunen richtig, bleibt aber argwöhnisch und fürchtet einen Pferdefuß. Das ganze sei doch eher nur der Ersatz für die versprochene Reform der Gemeindefinanzen, über die sich die Koalition intern nicht einig ist, und habe mit Hartz-IV doch wenig zu tun. Schwesig: „Wir wollen, dass die Kommunen ihre Bildungsleistungen mit dem Bund eins zu eins abrechnen können.“ Pauschalentlastungen böten nicht die Garantie, dass die Leistungen auch tatsächlich bei den Kindern ankämen.

Mehrfach drehten sich die Verhandlungen in den fast zehn Stunden im Kreis. Kam man sich beim Bildungspaket näher, hakte es wieder beim gleichen Lohn für gleiche Arbeit in der Leiharbeit. Am schwierigsten gestaltet sich die Kompromisssuche beim Regelsatz. „Ohne Bewegung in allen drei Feldern stimmen wir nicht zu“, hatten vor Beginn Schwesig und auch ihr grüner Partner Fritz Kuhn als Devise ausgegeben.

Mehrfach wurden die Verhandlungen unterbrochen, zogen sich Koalitionslager wie Opposition zu Beratungen zurück. In der Landesvertretung wartende Journalisten vertrieben sich derweil die lange Nacht mit Kartenspiel. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false