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Politik: „Kein Fernsehen, keine Presse, niemand“

Am Freitagabend wurde mit Saddams Hinrichtung gerechnet – sie soll ohne Öffentlichkeit stattfinden

Geheimnistuerei und Widersprüche beherrschen den Umgang mit dem Todesurteil gegen Saddam Hussein. Der Prozess und seine Hinrichtung sollten ursprünglich zum Symbol für die Befreiung von der Diktatur und den Aufbruch in einen Rechtsstaat werden. Verfahrensregeln und die Rücksicht auf die prekäre Sicherheitslage mindern dieses Signal jedoch. Am Freitagabend verdichteten sich die Hinweise, dass der verurteilte Massenmörder noch in der Nacht zum heutigen Sonnabend oder im Laufe des Tages gehängt wird. Die Regierung in Bagdad ließ die Bürger jedoch im Unklaren.

„Kein Fernsehen, keine Presse, niemand“ dürfe als Vertreter der Öffentlichkeit dabei sein, wenn das Urteil vollstreckt werde, sagte der Sicherheitsberater der irakischen Regierung, Mowaffak al Rubaie. Er weigerte sich, Angaben über den Zeitpunkt zu machen. Man werde die Exekution auf Video aufnehmen, aber das Band wohl auch später nicht freigeben. Die Regierung möchte Tumulte vermeiden, ob sie nun Zeichen der Genugtuung unter den Familien der Opfer sind oder Ausdruck des Protests unter Anhängern des alten Regimes.

Am Freitagabend blieb zunächst unklar, ob die US-Armee, die Saddam auf dem US-Stützpunkt „Camp Cropper“ nahe dem Flughafen Bagdad gefangen gehalten hatte, tatsächlich an irakische Vertreter übergab. Laut Insidern in Washington hatte die Regierung in Bagdad dem Weißen Haus am Donnerstag die Hinrichtung für diesen Sonnabend angekündigt. Vielfach waren Zweifel daran geäußert worden. Das Opferfest, das für Sunniten am Sonnabend, für die Schiiten am Sonntag beginnt, erzwinge eine Verschiebung bis mindestens in die nächste Woche. Beide Erwartungen wurden vom Büro des Regierungschefs gespeist. Ministerpräsident Nuri al Maliki selbst sagte: Es werde keinen Aufschub der Exekution geben, schon aus Rücksicht auf die Familien der Opfer. Seine Mitarbeiter erklärten dagegen, während des mehrtägigen Opferfestes werde nicht hingerichtet. Für den Fall einer Hinrichtung noch in der Nacht zum Sonnabend, vor Beginn der Feiern, wäre das kein Widerspruch. Ein früherer Sicherheitsberater, Kasim Daoud, sagte: „Je früher, desto besser. Eine schnelle Hinrichtung signalisiert: Die Regierung ist entschlossen, zu handeln.“

Das Todesurteil gegen Saddam war am Dienstag von einem Berufungsgericht bestätigt worden, mit der Auflage, es binnen 30 Tagen zu vollstrecken. Damit würden die übrigen Prozesse gegen ihn wegen seiner weiteren Verbrechen platzen. Der Diktator hatte Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende umbringen lassen und Giftgas gegen Kurden sowie im Krieg gegen Iran eingesetzt. Wegen der Masse an Delikten und Beweismaterial hatte man die Anklagen in mehrere Prozesse gegliedert. Doch die Berufungsinstanz hat nun bereits nach dem ersten Verfahren, das mit einem Todesurteil wegen des Massenmords an 148 Schiiten in Dudschail 1982 endete, entschieden, die Exekution müsse rasch folgen. Damit würden die Familien der übrigen Opfer, darunter unzählige Sunniten und Kurden, vergeblich auf Gerechtigkeit hoffen. Die umfassende Strafverfolgung der Verbrechen einer langen Diktatur gilt historisch als wichtiges Mittel der gesellschaftlichen Aufarbeitung und Delegitimierung des Regimes.

Auch wenn Saddam bis zuletzt in Gewahrsam der US-Armee war: Das entscheidende Wort über sein Schicksal hat die irakische Regierung. Sie bestimmt, wann er an irakische Henker übergeben wird. Saddam hatte sich am Donnerstag von zwei Halbbrüdern verabschiedet. Dazu machten Iraks Regierung und das Gericht jedoch widersprüchliche Angaben. Nach Iraks Verfassung muss jede Exekution vom Präsidenten und seinen zwei Stellvertretern abgezeichnet werden. Ein Mitarbeiter des Präsidialamtes sagte, die Prozedur sei kein Hindernis. „Falls es in der Nacht geschieht, wird niemand ein Aufheben davon machen.“

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