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Politik: Kein Jammern und kein Fragen

Vor 60 Jahren begann die Geschichte der CDU – Helmut Kohl erinnert in Köln daran und vergisst nicht, auf Rot-Grün zu schimpfen

Die Passage schien die festliche Stimmung zu stören, da ließ der Redner sie weg. Der Bonner Historiker Rudolf Lill hatte über die ersten Schritte christlich demokratischer Parteigruppen nach dem Krieg gesprochen und hinzugefügt, dass „das zu mehr als 80 Prozent zerstörte Köln und hiesige Politiker wegweisend gewirkt“ hätten. Weil sich an dieser Stelle Beifall regte, verzichtete er auf den der Aktualität geschuldeten Hinweis, „jedenfalls weitaus reflektierter und effizienter, als das der heutige Zustand der hiesigen CDU annehmen lässt“. Der Anlass der Rede im Kölner Gürzenich war der Auftakt zu einer Serie von Veranstaltungen, mit der CDU und Konrad-Adenauer-Stiftung der Gründung von Vorläufern der Partei vor 60 Jahren gedenken. In der ersten Reihe saß der Kölner CDU-Vorsitzende Walter Reinarz, der in diesen Tagen hauptsächlich damit beschäftigt ist, die untereinander streitenden Parteifreunde zur Mäßigung anzuhalten; zuletzt hatte er damit so wenig Erfolg, dass sogar Landeschef Jürgen Rüttgers anreisen musste, um ein Desaster bei der Listenwahl zu vermeiden.

Lill erinnerte an Maximen der damals handelnden Politikergeneration. „Die Politiker versuchten damals ihren Stil den Medien aufzugeben“, analysierte der Historiker Lill, „und nicht, wie heute, ihn von den Medien zu übernehmen.“ Das Programm, die Kölner Leitsätze unter dem Titel „Ein Ruf zur Sammlung des deutschen Volkes", beschreibt nach Ansicht von Lill mit einfachen Worten vieles, was heute noch aktuell ist: die Führung des Staates auf christlicher Grundlage, die Demokratie, fortschrittliche soziale Reformen, aber eben kein Sozialismus. Jürgen Rüttgers erinnerte daran, dass das Bekenntnis der Gründer zum Christentum keineswegs unumstritten war. „Aber sie ließen sich nicht beirren, und die CDU tut gut daran, dass sie sich auch heute nicht beirren lässt, wenn ihr empfohlen wird, das C aus ihrem Namen zu streichen.“ Das Festpublikum applaudiert heftig.

Der Beifall steigert sich noch, als Rüttgers den „lieben Helmut Kohl“ ankündigt. Der hebt dann an zu einem gut einstündigen Vortrag über die historische Rolle der CDU. „Wir brauchen uns vor niemandem unter den deutschen Parteien verstecken“, urteilt der frühere Kanzler, der sich freilich nicht darauf beschränkt, die Vergangenheit und den Mut der Gründer zu beschwören. „Die haben nicht gejammert und gefragt: wer hilft uns“, weiß Kohl noch aus eigener Erfahrung, die meisten im Publikum nicken beifällig, die Worte Kohls spiegeln ihr Erleben wieder. Den meisten Beifall erhält er freilich bei seinen Ausflügen in die Gegenwart. Kohl greift Rot-Grün frontal an. „Wenn ich diese dümmlichen Gestalten in der Berliner Politik von heute sehe“, beginnt eine solche Passage und bevor er den Satz zu Ende gesprochen hat, applaudiert der Saal. An anderer Stelle wird er noch deutlicher. „Wir haben zu keinem Zeitpunkt einen Außenminister gehabt, der sich so durch die Geschichte gelogen hat wie der“, ruft er aus und meint eben jenen Joschka Fischer, mit dem er sich, früher, gerne mal zum Essen getroffen hat.

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