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Politik: Kein Kredit wegen der falschen Wohngegend?

Innenministerium will Rechte der Verbraucher bei Nutzung privater Daten durch Auskunfteien stärken

Berlin - Otto M. ist mittleren Alters, verfügt über ein überdurchschnittliches Einkommen, wohnt mit Frau und Kindern im eigenen Haus und hat keine Schulden. Dennoch wird ihm ein Kredit für den Bau einer neuen Garage verweigert. Den genauen Grund für diese Entscheidung kann ihm der Bankangestellte nicht nennen. Der Computer habe anhand von persönlichen Daten errechnet, dass M. kreditunwürdig sei. Tatsächlich hat das Programm den sogenannten Scorewert des Kunden ermittelt. Scoring ist ein statistisches Verfahren, anhand dessen die Wahrscheinlichkeit errechnet werden soll, mit der eine Person etwa einen Kredit zurückzahlen kann. Diesen Wert können Firmen für den jeweiligen Kunden von einer Auskunftei ermitteln lassen, bevor sie entscheiden, ob und zu welchen Konditionen sie einen Vertrag mit ihm abschließen. Die Kriterien, die in die Berechnung des Scorewertes einfließen, sind vielfältig. Mögliche Faktoren sind beispielsweise das Einkommen, der Familienstand, die Anzahl der Kreditkarten, die Häufigkeit der Umzüge oder gar die Wohngegend.

Zwar ist der Fall von Otto M. erfunden, doch ähnliche Szenen spielen sich regelmäßig in deutschen Dienstleistungsunternehmen ab. Damit diese teils schwer nachvollziehbaren Entscheidungen für Verbraucher transparenter werden, legte das Bundesinnenministerium einen Gesetzentwurf zur Änderung des Datenschutzgesetzes vor. Damit soll die Auskunftsverpflichtung der Unternehmen erweitert werden „auf die Angabe des Scorewerts, die genutzten und für den Scorewert wesentlichen Datenarten sowie deren Gewichtung“, sofern sie für die Interpretation des Wertes erforderlich sind. Das ermöglicht dem Kunden, dem Unternehmen zum Beispiel erklären zu können, dass er aus beruflichen Gründen oft den Wohnort wechseln musste und dies nicht etwa tat, um vor Gläubigern zu flüchten.

Grund für die Ablehnung eines Kreditwunsches können mehrere Handyverträge sein, das wirkt sich negativ auf den Scorewert aus (selbst wenn sie für minderjährige Kinder abgeschlossen wurden). Oder ein Haus steht in einer Gegend, in der die Schuldnerdichte besonders hoch ist. Vielleicht liegt es auch am Wagen, denn sogar bestimmte Autotypen können im Scoring zum Nachteil gereichen. Doch diese Gründe für die Entscheidung der Bank bleiben dem Kunden verborgen.

Laut Gesetzentwurf müssen Auskunfteien auf Anfrage des Betroffenen offen legen, an wen sie in den vergangenen sechs Monaten Scorewerte übermittelt haben. Auch kann der Betroffene dann einmal pro Kalenderjahr eine unentgeltliche Auskunft über seine Einträge bei dem jeweiligen Anbieter verlangen. Besonders umstritten ist die Einbeziehung sogenannter wohnortbezogener Daten in den Scorewert. Es kann sich negativ auswirken, wenn ein Großteil der Nachbarn kreditunwürdig ist. Das neue Gesetz legt fest, dass der Betroffene vor der Nutzung solcher Daten unterrichtet werden muss.

Der Sprecher des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Dietmar Müller, begrüßt die geplante Gesetzesänderung. Wenn der Kunde seine Situation schildern könne, würden Missverständnisse aus dem Weg geräumt. Der Berater könne so quasi gegen den Computer entscheiden. Müller bemängelt jedoch, dass nicht alle Wünsche berücksichtigt wurden. So sei nicht geklärt, wer Zugriff auf die Daten der Auskunfteien habe. Auch beispielsweise ein Zahnarzt könne sich nach der Bonität seines Patienten erkundigen, bevor er ihn behandelt. Skeptisch ist der Datenschützer außerdem im Hinblick auf das sogenannte Geomarketing. Zwar müssen Betroffene vor der Nutzung dieser wohnortbezogenen Daten informiert werden, jedoch haben sie kein Widerspruchsrecht. Andererseits liege Scoring, wenn es korrekt angewandt werde, auch im Interesse der „gut zahlenden Kunden“, meint Müller. Alle zahlten schließlich Kreditausfälle oder eine Erhöhung der Sicherheitsvorkehrungen mit.

Miriam Arndts

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