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Politik: Kein Markt für Popstars

Von Henrik Mortsiefer So hart kann Marktwirtschaft sein. Eben noch wie Popstars gefeiert, sitzen Unternehmer und Manager zwei Jahre nach dem Börsen-Höhenflug jetzt auf der Anklagebank.

Von Henrik Mortsiefer

So hart kann Marktwirtschaft sein. Eben noch wie Popstars gefeiert, sitzen Unternehmer und Manager zwei Jahre nach dem Börsen-Höhenflug jetzt auf der Anklagebank. Die Kläger: die geprellten Investoren, die entlassenen Mitarbeiter, das Volk der Aktionäre. Wir alle also. Getäuscht fühlen wir uns, eine Menge Geld verloren haben wir, und jetzt suchen wir Schuldige. Ron Sommer zum Beispiel, den Chef der Deutschen Telekom. Er ist zum beliebtesten und prominentesten Angeklagten im Wirtschaftskrimi geworden. Aufstieg und Fall der T-Aktie und die bisher offene Frage, ob Sommer dafür die Verantwortung trägt, erzählen das Drama einer beschädigten Aktienkultur. Ist Sommer, sind die deutschen Unternehmer das Geld noch wert, das wir ihnen gegeben haben?

Die gigantischen Summen, die an der Börse seit den Höchstständen im März 2000 verloren gingen – mehr als 220 Milliarden Euro allein am Neuen Markt – , sprechen dagegen. Nicht wenige Unternehmer waren schlicht überfordert, haben in unsinnige Projekte investiert und geglaubt, Wachstum sei um jeden Preis sinnvoll. Im Internet, im Entertainment-Geschäft, in den Medien. Die Wette, am Ende der Größte, der Schnellste und der Wertvollste zu sein, ist in vielen Fällen nicht aufgegangen. Verloren haben am Ende alle. Fast alle.

Einige haben natürlich auch gut verdient. Selbst im Abschwung ist das so geblieben. Aus dem Verdacht, dass es dabei nicht immer mit rechten Dingen zugegangen sein kann, ist Gewissheit geworden. Zuerst in der New Economy und zuletzt bei den Großen wie Enron, Worldcom, Vivendi und anderen. Das irre Tempo, mit dem die Neue Wirtschaft aufgebaut und aufgeblasen wurde, hat oft genug aus Cleveren Kriminelle werden lassen. Im schnellen Takt, den der Boom und das aus den USA importierte Bilanzierungswesen vorgegeben haben, ließen sich Unternehmer zur Mauschelei verführen. Zügellos machte sie die Aussicht, mit Aktien belohnt zu werden: Ein hoher Börsenkurs schien so das Ziel allen Wirtschaftens, egal bei welchem Risiko.

Und wer trägt die Verantwortung dafür? Im Betrugsfall ist die Frage leicht beantwortet. Unternehmer, die vorsätzlich Zahlen geschönt und ihren Eigentümern falsche Tatsachen vorgetäuscht haben, müssen bestraft werden. Härter als bisher und konsequenter. Freilich nur, wenn auch das Kunststück gelungen ist, ihnen den Vorsatz nachzuweisen.

Bei Ron Sommer fällt die Antwort aber schwerer. Der Telekom-Chef ist kein Krimineller. So wie es aussieht, hat er sich „nur“ im Aufschwung der Informations- und Kommunikationsindustrie vom vorsichtigen Kaufmann zum Verkäufer gewandelt. Wie viele andere auch. Nur Sommer hat es besonders glänzend gemacht. Gern übersehen wird heute, dass ihm dabei nicht nur die Politik, sondern auch die Kleinanleger geholfen haben. Gewiss, der Staat hat die T-Aktie mit großem Klimbim zur Volksaktie stilisiert und vorschnell von einer neuen Aktienkultur geschwärmt. Aber wir haben es ihm geglaubt und sind tatsächlich Aktionäre geworden, am Neuen Markt und auf anderen Märkten. Mit allem was dazugehört – einschließlich des Risikos, unseren Einsatz zu verlieren, wenn die Geschäfte nicht laufen wie sie laufen sollten.

Ein Gutes hat das Sommer-Theater: Es zeigt mit aller Deutlichkeit, dass der Aktienkauf ein Vertrauensbeweis ist. Nur wer dieses Vertrauen aufbringen kann, sollte das Risiko auch wagen. Und wer auf dem Chefsessel dieses Vertrauen missbraucht, ist sein Geld nicht wert und fliegt – zumindest bisher – mit hoher Wahrscheinlichkeit raus. Das ist kein Wirtschaftskrimi. So hart kann die Marktwirtschaft sein. Manchmal.

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