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Politik: Kein Nachteil wegen der Gene

Gesetz soll vor Diskriminierung schützen

Berlin - Das Gesetz ist überfällig wie kaum ein anderes. Seit 2002 bereits brüten die zuständigen Ministerien über den Inhalten – und der Fall, der die Dringlichkeit augenfällig machte, ereignete sich auch bereits vor fünf Jahren. Damals verwehrte das Land Hessen einer angehenden Lehrerin die Verbeamtung, weil diese sich geweigert hatte, einen Gentest zu absolvieren. Der Vater der bis dato gesunden Frau war an der Erbkrankheit Chorea Huntington erkrankt, und die Schulbehörden befürchteten, dass die Hirnkrankheit auch bei der Tochter ausbrechen könnte.

Die Frau konnte ihre Einstellung damals gerichtlich durchsetzen. Die gesetzliche Handhabe für vergleichbare Fälle will die Regierung nun nachliefern. Am Mittwoch berät das Kabinett über die Eckpunkte eines Gendiagnostikgesetzes, das vor allem eines ausschließen soll: die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer genetischen Veranlagung.

Die Gefahr dafür ist mit dem enormen Wissenszuwachs gestiegen. Wenn man die Anlage für bestimmte Krankheiten kenne, biete dies die Chance, vorbeugend einzugreifen, sagt Ärztepräsident Jörg- Dietrich Hoppe. Es drohten aber auch psychische Belastungen, moralische Konflikte und Diskriminierung. Und das, obwohl nie sicher ist, ob und wann die befürchtete Krankheit wirklich ausbricht.

Auch deshalb will die Koalition ärztliche Aufklärung bei solchen Tests verpflichtend machen. Nur auf ausdrücklichen Wunsch soll es möglich sein, darauf zu verzichten. Und bei vorgeburtlichen Tests soll es ausschließlich um Gesundheitsbeeinträchtigung gehen. Geschlechtsbestimmung, die zu Auslese führen könnte, wird untersagt. Die Tests selber bleiben Ärzten vorbehalten. Das biete ebenso Gewähr für eine damit verbundene Beratung wie auch für die Vertrauli chkeit der Gendaten, sagt der SPD-Experte Wolfgang Wodarg.

Scharf auf die Ergebnisse der Gentests sind vor allem Versicherer. Sie dürfen den Plänen zufolge künftig weder solche Analysen verlangen noch einen Einblick in diese erzwingen. Um Missbrauch zu vermeiden, werde es aber Ausnahmen geben, kündigt Wodarg an – etwa beim Abschluss von Lebensversicherungen mit besonders hohen Versicherungssummen.

Auch Gentests auf Arbeitgeberverlangen sollen verboten sein. Tauglichkeitskriterien für bestimmte Berufe jedoch blieben bestehen, sagt Wodarg – etwa für Beamte oder für Jobs in sicherheitsrelevanten Bereichen. Angehende Piloten etwa müssten akzeptieren, dass man sie auf erblich bedingte Farbenblindheit untersucht.

Bei den Grünen stoßen die geplanten Ausnahmen auf Kritik. „Sobald man damit anfängt, wird es problematisch“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Volker Beck, und warnt vor „sozialer Chancenauslese“. „Wenn sich Menschen mit bestimmten Risiken nicht mehr privat versichern können, bekommen wir ein Sozialstaatsproblem.“ Und Unternehmer, die sich genetisch robustere Arbeitnehmer aussuchen könnten, würden dazu verleitet, beim Arbeitsschutz zu sparen. „Hier darf man den Druck nicht rausnehmen“, sagte Beck. Entscheidend sei zudem für die Gendaten eine „rechtsfeste Barriere gegen jeden Zugriff von Sicherheitsorganen“.

Ärgerlich findet es der Grünen-Politiker auch, dass die Regierung das Gesetz erst jetzt angeht. Andere Länder seien da schon viel weiter. „Offenbar war die Koalition mit dem Streit um den Gesundheitsfonds so beschäftigt, dass sie zu nichts anderem Zeit fand.“

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