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Politik: Kein Platz für Luschen

Ellis Huber verschreibt der Linkspartei ein Gesundheitskonzept. Es fordert auch mehr Wettbewerb

Berlin - In Schubladen hat Ellis Huber nie gepasst. Nicht als Präsident der Berliner Ärztekammer, nicht als Chef einer stärker auf Alternativmedizin ausgerichteten Krankenkasse. Nun hat sich der Querdenker als politischer Ideengeber einspannen lassen. Im Auftrag der Linksfraktion im Bundestag schrieb er ein Eckpunktepapier „zu einer nachhaltigen Gesundheitsreform“, das die Genossen am kommenden Dienstag präsentieren und am 6. Oktober auf einem Forum diskutieren wollen.

Er wolle nicht linke Befindlichkeiten bedienen, sondern eine „Mehrheit links von der Mitte“ ansprechen, betont Huber. Bei 90 Prozent seines Konzepts sehe er Übereinstimmung mit seinen Auftraggebern, über die restlichen zehn Prozent werde man sich wohl streiten. So ist bei den formulierten Zielen – „Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit“ – allemal Konsens zu erwarten. Und wenn Huber die bisherige Gesundheitspolitik als „ausbeutbares Feld für alle möglichen Profiteure“ beschreibt, klingt das ebenfalls Linkspartei-kompatibel. Allerdings denkt Huber nicht daran, eine Lanze für Staatsmedizin oder Planwirtschaft zu brechen. „Ich empfehle das Gegenteil“, sagt er: „Subsidiarität und völlige Vertragsfreiheit.“ Das werde den Linken zu schaffen machen, „aber da müssen sie durch“. Der aufgeblähte Verwaltungsüberbau verschlinge schon jetzt viel zu viel Geld, und dezentral geführte Unternehmen funktionierten nun mal besser als streng hierarchisch kontrollierte. Man müsse endlich aufhören, Ärzte „mit entwürdigenden Kontrollmaßnahmen wie potenzielle Verbrecher zu behandeln“, fordert Huber.

Im derzeitigen System diagnostiziert er zwei Hauptprobleme. Für die Krankenkassen sei Risikoselektion viel einfacher als Solidarität. Und für Ärzte und Krankenhäuser gehe es vor allem um Maximalmedizin. Beides funktioniere nach der „Ökonomie einer Krebszelle“: Jeder versuche „unter Inanspruchnahme der Systemressourcen möglichst unkontrolliert zu wachsen“. Soziale Verantwortlichkeit und der Blick auf Ressourcen hingegen seien in den vergangenen Jahrzehnten „leider nicht kultiviert worden“. Ebendies müsse aber geschehen, meint Huber. So fordert er Netzwerke und integrierte Versorgung, flächendeckende Prävention und Gesundheitsförderung, fließende Übergänge zwischen Medizin, Rehabilitation und Pflege, stärkere Patientenbeteiligung, absolute Transparenz. Und – als Bremse für die teure und oft unnütze Maximalmedizin – „Zeithonorare“ für Ärzte.

Entscheidend seien dann nicht mehr Methoden und der Einsatz technischer Instrumente, sondern „welche Gesundheitsergebnisse der Arzt als Person mit konventionellen oder alternativen Verfahren in der Zeiteinheit erreicht“, schreibt Huber. Als Grundhonorar für Ärzte empfiehlt er 60 bis 70 Euro pro Stunde. Bei nachgewiesenem Erfolg in Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung könne es Aufschläge geben. Praxiskosten und technisches Gerät würden gesondert finanziert, dafür gäbe es dann fachgruppenspezifische Budgets. Die Finanzierung medizinischer Technologie müsse von der Finanzierung ärztlicher Arbeit entkoppelt werden, damit sie „unabhängig von Honorarflüssen optimiert und in vernetzten Strukturen gemeinschaftlich organisiert“ werden könne, schreibt Huber.

Zugrunde liegt Hubers Konzept die Idee einer konsequenten Bürgerversicherung, bei der alle Einkommensarten beitragspflichtig sind. Alle müssten sich versichern, die Kassen müssten jeden nehmen, Diskriminierung würde bestraft. Und da es keine Beitragsbemessungsgrenze gäbe, wäre ein Satz von zehn Prozent für die Regelversorgung „bei schlankem Versorgungsmanagement“ ausreichend. Zudem könnten in den Gesundheitsfonds, den Huber lieber Solidarfonds nennt und der den Kassen das Geld zuweisen soll, Mittel aus der Tabak-, Alkohol- und Mineralölsteuer fließen. Die Kassen erhielten einen Risikoausgleich je nach Alter, Geschlecht und Krankheit ihrer Versicherten.Krankheitsfälle mit Kosten über 20 000 Euro würden von allen Kassen gemeinsam geschultert. Alles andere wäre Wettbewerb: Vertragsfreiheit für die Kassen gegenüber allen Dienstleistern, Wahlfreiheit für die Versicherten. Kassen, die daran scheiterten, würden aufgelöst.

Wichtig sei vor allem ein „lernendes System“, für das sich möglichst viele verantwortlich fühlten, sagt Huber. Eine Illusion? „Luschen werden darin weniger Platz haben als bisher“, meint er – und wundert sich, dass die Politik gute Ansätze „nicht produktiver und offensiver nutzt“. Was man mit Qualitätsmanagement und Prävention begonnen habe, sei nicht schlecht, sagt er. Vieles kranke nur daran, dass man dem System so wenig Reformbereitschaft zutraue. Und dass „der medizinisch-industrielle Komplex und die private Versicherungswirtschaft die Union zum Gefangenen gemacht haben“.

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