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Politik: Kein Staatsbegräbnis für Pinochet

Straßenschlachten in Santiago / Gericht erklärt alle laufenden Verfahren gegen Ex-Diktator für eingestellt

Der Tod von Augusto Pinochet hat in Chile die Gemüter erhitzt. Nachdem am Sonntag die Nachricht vom Tod des Ex-Diktators die Runde gemacht hatte, kam es zu spontanen Massenkundgebungen und Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Im Zentrum der Hauptstadt Santiago de Chile versammelten sich Tausende von Menschen, um den Tod des Ex-Machthabers als „Befreiung Chiles“ zu feiern. Eine Gruppe überwiegend jugendlicher Demonstranten beschloss, zum Präsidentenpalast Moneda zu marschieren, wurde jedoch von Polizisten daran gehindert. Bei Straßenschlachten wurden mehr als 40 Polizisten verletzt. 99 Menschen wurden festgenommen.

Vor dem Militärhospital, in dem der 91-Jährige an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben war, versammelten sich mehrere Hundert Anhänger des Ex-Diktators und trauerten um ihr Idol. „Pinochet hat uns vor dem Kommunismus gerettet“, „er war wie ein Vater für Chile und hat uns wirtschaftlichen Fortschritt gebracht“, „er war ein Visionär, ein Befreier“ – so lauteten einige der Kommentare. Die Gegner hingegen bezeichneten den Ex-Diktator als Mörder, Dieb, Ratte und Kakerlake des US-Imperiums. Die Stimmung war auf dem Siedepunkt, und die Polizei hatte alle Mühe, die beiden Lager auseinander zu halten, um direkte Konfrontationen zu verhindern.

Angehörige von Diktaturopfern und Menschenrechtsorganisationen bedauerten, dass der Ex-Putschist nicht zu Lebzeiten juristisch für seine Verbrechen zur Verantwortung gezogen worden war. Zwar liefen zahlreiche Prozesse gegen Pinochet, doch denen konnte sich der Ex-Diktator bis zuletzt unter Hinweis auf seinen angeschlagenen Gesundheitszustand entziehen. Das chilenische Berufungsgericht erklärte am Montag alle laufenden Verfahren gegen den Gestorbenen für eingestellt.

Diskussion löste auch die Art der Beerdigung aus: Ehemaligen Staatschefs steht eigentlich ein Staatsbegräbnis zu, Teile der Regierung – darunter Präsidentin Michelle Bachelet, die während der Militärdiktatur Pinochets gefoltert worden war – lehnen dies jedoch ab, weil sie in Pinochet einen illegitimen Gewaltherrscher sehen. Unter Pinochets Angehörigen und Anhängern gab es ebenfalls unterschiedliche Auffassungen: Manche wollten das Staatsbegräbnis beanspruchen, andere wie Sohn Marco Antonio legten keinen Wert auf eine besondere Zeremonie „dieser linken Regierung“. Als Kompromissformel wurde schließlich beschlossen, Pinochet an diesem Dienstag unter Berücksichtigung seines letzten offiziellen Ranges als Heereschef mit militärischen Ehren beizusetzen und in den Kasernen Halbmast zu flaggen, auf ein Staatsbegräbnis jedoch zu verzichten.

Pinochet hatte am 11. September 1973 in einem Militärputsch mit Unterstützung der USA den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende gestürzt. Unter seiner Gewaltherrschaft wurden von 1973 bis 1990 nach Angaben von Menschenrechtlern mehr als 3000 Menschen getötet und zehntausende gefoltert. Auch der Vater Bachelet, ein Allende-treuer Offizier, starb in Haft.

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