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Politik: Kein Tag ohne Welt

Nicht, dass es nachher heißt, wir hätten nicht Bescheid gesagt: Morgen, am 17., ist Weltfernmeldetag.

Nicht, dass es nachher heißt, wir hätten nicht Bescheid gesagt: Morgen, am 17., ist Weltfernmeldetag. Das ist einer jener Tage, mit dem die Initiatoren die Welt daran erinnern wollen, dass es diesbezüglich noch dies und das zu verbessern gebe. Die Liste der Welttage ist aber längst so dicht, dass Doppelbelegungen nicht auszuschließen sind: Der gegenwärtig aus Konjunkturgründen unerwünschte Weltspartag, der einst den alternden Reformationstag bedrängte, heißt zum Beispiel längst „Halloween“.

Meist fangen die UN damit an. Hallo, sagen sie, wir hätten da ein Thema, das wird sicher superduper, wenn nur alle Menschen dieser Welt mal dran denken und sich ganz doll einig sind. Niemand hätte sich etwa für die Schwarzpappel interessiert, wäre sie nicht vom „Kuratorium Baum des Jahres“ am „Tag des Baums“ im vergangenen November zum „Baum des Jahres“ ernannt worden. Nun werden allüberall Schwarzpappeln gepflanzt, vermutlich zu Lasten des Speierlings, der schon 1993 dran war. Kaninchenzüchter küren am Weltwiddertag den Rammler des Jahres, Fußgänger haben den „Internationalen Tag Zu Fuß zur Schule“ ausgerufen, es gibt den Internationalen Tag des Schweinswals und den Tag des Lachwichtels – beides übrigens ohne erkennbare Wirkung auf die betreffenden Populationen.

Weltfernmeldetag – das klingt geradezu rührend altmodisch. Wir sehen einen Kradmelder durch den Matsch vor Verdun rasen, er stoppt seine Maschine, öffnet das Feldtelefon, kurbelt und ruft dem Stab mit versiegender Stimme kriegsentscheidende Worte zu wie „Melde Feindberührung in Planquadrat B7!“ Heute scheint es allerdings, als werde hier und da eher zu viel ferngemeldet. „Ja, Huschilein, hör mal, ich bin jetzt gerade am Alexanderplatz, ich ruf nachher nochmal an, wenn ich aussteige!“ – das sind so Sachen, die Kofi Annan eher der Menschenrechtskommission vorlegen sollte, und zwar mit dem Ziel der internationalen Ächtung.

Aber sein Ansatz zielt höher: Wenn man beispielsweise die Chinesen nur lang genug zum Fernmelden einlädt, dann muss denen doch mal auffallen, dass Internetzensur irgendwie, ja, unpassend ist, nicht wahr? Ein Handy für jeden in der ganzen Welt würde die Kommunikation stärken, allerdings müssen wir schon angesichts der normalen deutschen Handyrechnung vor der Realisierung warnen.

Wie wäre es mit einer Bilanz? An einem „Welttag der Welttage“ ließe sich die Spreu vom Weizen trennen. Aber wann? Freuen wir uns auf den 1. Juni, den Tag des französischen Aperitifs. Konsequent gefeiert, kann er viele andere Tage überflüssig machen.

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