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Politik: Kein Thema für die Allianz

Schröder erwartet baldige Beratungen der Nato – aber dass der Bündnisfall ausgerufen wird, ist äußerst unwahrscheinlich

Von Thomas Gack, Brüssel

Gerhard Schröder blieb am Montag dabei: In der nächsten Zeit stünden Beratungen der Nato zum Irak an, erklärte der Kanzler. Verteidigungsminister Peter Struck habe Recht mit seiner Aussage, dass ein so wichtiges Thema beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister vom 23. bis 25. September in Warschau sicher besprochen werde, erklärte der Kanzler weiter. Schröder hatte das bevorstehende Nato-Treffen zuvor als Begründung dafür herangezogen, warum sich die Bundesregierung schon jetzt auf eine klare Absage an einen deutschen Einsatz festgelegt hat. Zudem verbat er sich eine Einmischung aus den Reihen der Bundeswehr. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye verwies dazu auf das geltende „Primat der Politik“.

Allerdings steht die Irak-Krise entgegen den Aussagen des Kanzlers beim informellen Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Warschau nicht auf der Tagesordnung. Von einer bevorstehenden Entscheidung des Bündnisses kann keine Rede sein. Dass über das Thema geredet wird, kann allerdings nicht verhindert werden, sofern einer der Minister es aufs Tapet bringt. Nato-Sprecher Yves Brodeur sagte am Montag in Brüssel, dass bei einem solchen Treffen über alles geredet werden könne. Wenn also ein Verteidigungsminister unbedingt über den Irak reden will, dann kann er das. Das heißt aber nicht unbedingt, dass das Thema dann von den anderen 18 aufgegriffen wird. ,,Bisher ist der Irak kein Thema für die Allianz“, sagt Yves Brodeur. ,,In den vergangenen Wochen haben die Spekulationen über angebliche Pläne der USA für eine Irak-Aktion hier im Nato-Hauptquartier keine Rolle gespielt. Das ist doch alles hoch hypothetisch.“ Nach den Spielregeln der Nato könne Saddam Hussein erst dann ernsthaft zum Gegenstand der Beratungen im Kreis der 19 Nato-Mitgliedstaaten werden, wenn die USA wieder, wie nach dem 11. September, formell den Antrag stellen, den Bündnisfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrags auszurufen.

Eine Aufforderung Washingtons an die Bündnispartner, die US-Streitkräfte bei einem militärischen Schlag gegen den Irak zu unterstützen, wäre nach Ansicht Brüsseler Experten nicht durch die alte Entscheidung der 19 Mitgliedstaaten vom Herbst gedeckt, die sich zum ersten Mal in der Geschichte der Nato auf den Artikel 5 gestützt hat. Nach den Erfahrungen der vergangenen Monate – der Nato-Bündnisfall hatte in der Praxis der Terrorbekämpfung keine militärischen Konsequenzen – hält man es in Brüssel eher für unwahrscheinlich, dass die Regierung Bush sich noch einmal auf den Artikel 5 berufen wird, der eindeutig einen Angriff auf ein Mitgliedsland voraussetzt und in jedem Fall Einstimmigkeit im Nato-Rat voraussetzt.

Die Nato-Führung in Brüssel verfügt ohnehin über keine militärischen Mittel, sieht man einmal von den wenigen AWACS-Flugzeugen zur Überwachung und Führung von Truppen ab. Sie muss stets auf die Streitkräfte der Mitgliedstaaten zurückgreifen, die in jedem Einzelfall entscheiden müssen, in welcher Form sie ihrer Beistandspflicht nachkommen. Selbst bei einer formellen Ausrufung des Bündnisfalls, die im Fall einer US-Aktion gegen den Irak höchst unwahrscheinlich ist, bleibt es also den einzelnen Regierungen überlassen, mit welchen Truppen und in welcher Stärke sie Hilfe leisten.

Einzelne Nato-Mitgliedstaaten besitzen durchaus gewisse spezielle militärische Fähigkeiten, die von den USA bei einem Schlag gegen das Regime im Irak benötigt werden könnten. Dazu gehören zum Beispiel die Fuchs-Spürpanzer der Bundeswehr, die dafür ausgerüstet sind, biologische und chemische Kampfstoffe schnell aufzuspüren und zu analysieren

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