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Politik: Kein Verlass auf die Gegner

Schröder zweifelt so an den SPD-Linken, dass er ihnen nicht einmal die Misstrauensbekundung zutraut

Von Robert Birnbaum

Berlin – Wenn die Geschichte stimmt, hat Gerhard Schröder auf der Suche nach einem verfassungsfesten Weg zu Neuwahlen ein neues Paradox entdeckt. Man könnte es das missgünstige Vertrauensvotum nennen. Nach der Geschichte, die im neuen „Spiegel“ erzählt wird, hat Schröder in seinem Gespräch mit Bundespräsident Horst Köhler vorgeschlagen, dass ihm die Kabinettsmitglieder bei einer Vertrauensabstimmung die Stimme verweigern sollten. Begründet habe er das damit, dass auf die Fraktion so sehr kein Verlass mehr sei, dass er nicht mal auf deren Gegnerschaft bauen könne: Die Abgeordneten, die seinem Kurs misstrauten, würden das nicht durch ihr Abstimmungsverhalten dokumentieren wollen.

Will sagen: Wenn das Kabinett dem Kanzler das Vertrauen verweigert, ist das zwar auf den ersten Blick getürkt, in höherem Sinne aber korrekt, weil Otto Schily und Joschka Fischer kurzzeitig in die Rolle jener Kanzler-Gegner schlüpfen, die dem Kanzler nicht mal diesen Abgang gönnen. Ob sich Köhler von solch paradoxer Logik beeindruckt gezeigt hat, habe er nicht zu erkennen gegeben. Schröder hat nach dem Bericht den Präsidenten seinerseits wissen lassen, dass er nicht an Rücktritt denkt, falls Köhler den Bundestag nicht auflösen sollte: „Dann bleibe ich selbstverständlich im Amt“, habe er gesagt. In der Sache habe Schröder dem Staatsoberhaupt seinen Wunsch nach Neuwahlen nicht – wie es die SPD öffentlich darstellt – mit einer angeblichen Blockade der Unionsmehrheit im Bundesrat begründet, sondern mit der absehbaren Blockade-Minderheit in der eigenen Fraktion. Seine Regierungsmehrheit sei „instabil“, zitiert das Magazin Schröder aus dem Gespräch am Sonntag vor zwei Wochen. Er sehe sich einem „erhöhten Erpressungspotenzial“ ausgeliefert.

Dass diese Vermutung nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigen immer neue Forderungen aus der Parteilinken nach einem Kurswechsel. Deren Sprecherin Andrea Nahles warnte im „Spiegel“, mit Schröders Reformagenda lasse sich kein erfolgreicher Wahlkampf führen. Dieses Projekt sei „praktisch abgearbeitet“. Dafür bekomme die SPD höchstens „den Ehrenpreis für aufrichtige Reformen“. Die Menschen wählten aber nicht das Vergangene, sondern „die Zukunft, die Hoffnung auf Besserung“. Bisher fehle das Konzept für einen solchen Wahlkampf, sagte Nahles: „Wir brauchen eine klare Strategie und neue Inhalte.“ Überdies müsse die SPD jetzt „junge Köpfe“ zeigen „und deutlich machen, dass die SPD einen Generationenwechsel will, der über das Jahr 2005 hinausgeht“. Wer da in Frage kommt, sagte Nahles nicht. Gerüchte, junge Links-SPDler und die „Netzwerker“ um den Niedersachsen Sigmar Gabriel wollten am Wochenende über neue Programme und Personen reden, erwiesen sich als falsch: Ein Treffen zum neuen SPD-Programm sei lange geplant, aber angesichts der neuen Lage abgesagt worden, sagten Nahles und Gabriel.

Über eine Personalie berichtet indes die „Süddeutsche Zeitung“: Peer Steinbrück solle nach der Wahl im Herbst als Fraktionschef nach Berlin gehen. Er gilt in der SPD als Mann mit Zukunft, seine Niederlage in NRW wird auch SPD-intern der Bundespartei angelastet. Steinbrück selbst ließ am Samstag durch seine Sprecherin allerdings erklären, er habe noch nicht entschieden, ob er überhaupt für den Bundestag kandidieren wolle.

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