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Politik: Kein Zaun zu hoch

Auffanglager in Afrika gibt es, der Ansturm ist riesig

Im Morgengrauen stürmten rund 50 Menschen den 3,20 Meter hohen Doppelzaun, der Europa vor Afrika schützen soll. Mit Zangen und Drahtscheren schnitten sie in Sekundenschnelle ein Loch in die eisernen Maschen. Die meisten afrikanischen Flüchtlinge konnten hindurchschlüpfen und EU-Boden erreichen, bevor spanische Grenzpolizisten eingriffen.

Anfang August war das, doch das Drama wiederholt sich fast täglich an der schwer bewachten Grenze der spanischen Exklave Ceuta an Marokkos Küste. Denn was Bundesinnenminister Otto Schily fordert, eine Art europäisches Asyllager auf nordafrikanischem Boden, gibt es dort bereits. Die Flüchtlinge aus Marokko, Algerien und den Armuts- und Bürgerkriegsgebieten Schwarzafrikas wollen dorthin. Der Ansturm ist so groß, dass die EU die Grenzanlagen Ceutas sowie der zweiten spanischen Nordafrikabesitzung Melilla für viel Geld absichern ließ: Wachtürme, Bewegungsmelder, Infrarotkameras, Nato- Draht, bewaffnete Posten, die auch Warnschüsse abgeben. Gerade wird weiter aufgerüstet. Das lässt ahnen, wie die vorgeschlagenen EU-„Auffangstellen“ in Afrika aussehen könnten.

Zehntausende warten vor der Grenze Ceutas, eine Garnisonsstadt mit rund 70 000 Einwohnern, auf ihre Chance. Etwa 30 von ihnen gelingt es am Tag, den Stachelwall zu überwinden, oft schwer verwundet. Die meisten landen im staatlichen Auffanglager, bitten um Asyl und werden mit Glück irgendwann aufs spanische Festland entlassen. Die 450 Lagerplätze sind überfüllt, die Situation angespannt – obwohl die Behörden alle Immigranten ohne ersichtliche Asylgründe gleich abschieben – was vor allem Marokkaner betrifft. „Die Flüchtlinge lassen sich durch keinen Zaun der Welt aufhalten“, sagt ein spanischer Grenzpolizist. Man müsse hier die „Schmutzarbeit für Europa“ machen. Karawanen von ausgemergelten, oft kranken Menschen müsse man an der Grenze zurückweisen. Menschen, die manchmal monatelang quer durch die Sahara nach Ceuta unterwegs waren.

Ceuta und das 300 Kilometer östlich liegende Melilla sind aber auch nur zwei von vielen spanischen Zielen, die die Afrikaner ansteuern. Auf der Kanareninsel Fuerteventura landeten allein im vergangenen Jahr rund 10 000 „Boat-People“. Nach Angaben der italienischen Polizei vom Sonntag starben mindestens 26 afrikanische Flüchtlinge beim Versuch, in einem wackeligen Holzboot von Libyen aus nach Italien zu gelangen.

Ralph Schulze[Madrid]

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