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Politik: „Keine Gesamtschule in neuem Gewand“

Regierungsberater Lauterbach verteidigt sein Bildungskonzept. Grüne bezweifeln die Realisierbarkeit

Berlin - Gegen Kritik habe er nichts, sagt Karl Lauterbach. Aber bei der Diskussion um sein Konzept einer radikalen Bildungsreform sollten gefälligst die alten „Kampfbegriffe“ draußen bleiben. Sätze wie „Wir wollen keine Einheitsschule“ zum Beispiel. Oder: „Kinder gehören den Eltern.“

Deshalb, sagt der Regierungsberater, gelte es zwei Missverständnisse auszuräumen. Erstens: Die neue Gemeinschaftsschule, die er der SPD empfohlen hat, sei „keine Gesamtschule in neuem Gewand, sondern das genaue Gegenteil davon: eine Schule, in der jedes Kind individuell betreut wird“. Kinder seien nicht per se unterschiedlich begabt, wie es das bestehende dreigliedrige Schulsystem unterstelle. Jedes Kind habe spezielle Begabungen und entwickle sie unterschiedlich schnell. Gemeinschaftsschulen mit individueller Förderung könnten sich darauf einstellen und auch schwierige Phasen – etwa Leistungseinbrüche bei Scheidung der Eltern – abfedern. „Das dreigliedrige System mit Gymnasium, Realschule und Hauptschule ist da nicht flexibel genug.“

Missverständnis Nummer zwei: Sein Vorschlag einer Vorschulpflicht schon für Dreijährige sei „nicht der Beginn der Schule mit Drei“. Es gehe hier weder um die Vermittlung von Lerninhalten noch darum, Eltern die Erziehungsverantwortung zu nehmen. Vielmehr sollten Drei- bis Sechsjährige „spielerisch das Lernen lernen“, denn in diesem Alter würden alle Weichen für die spätere Lernfähigkeit gestellt. Eltern mit Migrationshintergrund oder aus einkommensschwachen Schichten etwa könnten dies selber nicht leisten.

Letzteres sieht die FDP ganz ähnlich. „Wir wollen bestmögliche Startchancen für alle“, sagt ihr bildungspolitischer Sprecher Hellmut Königshaus. Die Idee einer frühzeitigen, kostenfreien und verbindlichen Vorschulförderung sei vernünftig. Danach aber müssten sich Eltern frei für „differenzierte Angebote“ entscheiden können, alles andere sei Bevormundung.

Den Grünen gefallen beide Ideen, sie zweifeln aber an der Umsetzung. Schon die Forderung nach einem Pflicht-Vorschuljahr wäre ein „Riesenschritt“, sagt Grünen-Expertin Grietje Bettin. Lernpsychologisch habe Lauterbach sicher Recht, auch die „Grundungerechtigkeit, dass der Bildungserfolg in Deutschland vom Geld der Eltern abhängt“, müsse aufgelöst werden. Aber wenn der Bund den Ländern dafür Geld gebe, müsse er auch Gestaltungskompetenz haben. Dies, so Bettin, „hätte dann natürlich Auswirkungen auf den Föderalismus“.

Er wolle den Wettbewerb der Länder, sagt Lauterbach. Nötig seien aber nationale Bildungsstandards. Den Einwand fehlender Kapazitäten wischt er beiseite. „Wir können unser Bildungssystem nicht von den vorgefundenen Personalressourcen abhängig machen.“ Werde sein Konzept verwirklicht, gebe es „erheblichen Mehrbedarf an deutlich besser Qualifizierten“. Die Kosten für Vorschulpflicht und Gemeinschaftsschule liegen nach Lauterbachs Rechnung bei 20 Milliarden Euro pro Jahr. Auch deshalb seien seine Ideen nicht als kurzfristiges Konzept zu sehen. Es handle sich vielmehr um eine „Vision, eine Beschreibung, wo wir hinwollen“.

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