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Videoaufnahmen zeigen Regierungspanzer, die in Richtung Daraa rollen. Die Oppositionellen befürchten, dass ein weiteres Massaker bevorsteht.

© dpa

Keine Intervention: UN-Sicherheitsrat kann sich nicht auf Verurteilung Syriens einigen

Der Vorstoß mehrerer EU-Staaten, die Gewalt gegen Demonstranten in Syrien zu verurteilen, ist vor dem UN-Sicherheitsrat gescheitert. In Daraa könnte es bald zu einem weiteren Massaker kommen, fürchtet die syrische Opposition.

Im UN-Sicherheitsrat ist ein gemeinsames internationales Vorgehen gegen die gewaltsame Unterdrückung der syrischen Protestbewegung vorerst gescheitert. Den 15 Ratmitgliedern gelang es am Mittwoch in New York hinter geschlossenen Türen nicht, Einigkeit über einen unter anderem von Deutschland eingebrachten Entwurf zu erzielen, der die gewaltsame Unterdrückung von Regierungsgegnern in Syrien verurteilte.

Syriens Opposition fürchtet ein Massaker in ihrer Hochburg Daraa. Sicherheitskräfte von Präsident Baschar al-Assad sind dort mit Panzern und Scharfschützen im Einsatz. Aus mehreren Städten berichteten die Aufständischen von neuen Festnahmen. Seit Beginn der Proteste vor sechs Wochen kamen möglicherweise mehr als 400 Menschen ums Leben, darunter auch Soldaten. Angesichts der blutigen Unruhen verlassen immer mehr Ausländer das Land.

Der höchste UN-Diplomat für Politik, Lynn Pascoe, unterrichtete die Ratsmitglieder über die Entwicklung in dem Nahostland. Demnach dürften syrische Behörden Demonstranten in Gewahrsam genommen, gefoltert und sexuell belästigt haben. Journalisten seien verhaftet oder gefoltert worden.

Während die westlichen Staaten eine Verurteilung Syriens und eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle forderten, lehnten Russland und China dies ab. Der russische UN-Vizebotschafter Alexander Pankin warnte vor einem möglichen Bürgerkrieg in Syrien, der durch eine Intervention von außen ausgelöst werden könnte. Die Krise in dem arabischen Land „stellt keine Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit dar“, sagte Pankin. Dagegen könnte ein Eingreifen „zu einer echten Bedrohung für die regionale Sicherheit“ werden.

Syriens UN-Botschafter Bashir Jaafari bezeichnete den Vorstoß der Europäer als „Propaganda“.

Die UN-Botschafterin der Vereinigten Staaten, Susan Rice, ermahnte Damaskus zu einem Kurswechsel. Syriens Präsident Baschar el Assad müsse „den Kurs jetzt ändern“, sagte Rice. Die Diplomatin forderte die internationale Gemeinschaft auf, das gewaltsame Vorgehen gegen die Opposition in Syrien geschlossen zu verurteilen.

Frankreichs UN-Botschafter Gerard Araud kündigte an, Frankreich werde zusammen mit anderen Ländern nach Wegen suchen, den Druck auf Damaskus zu verstärken, wenn „nichts Positives geschieht“. Deutschland werde „angemessene Maßnahmen“ unterstützen, sagte der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig.

Deutschland hatte den Entwurf in New York gemeinsam mit Frankreich, Großbritannien und Portugal vorgelegt. Nach dem Scheitern forderten westliche Ratsmitglieder Diplomatenangaben zufolge eine öffentliche Sitzung des Sicherheitsrates, um der internationalen Kritik am Vorgehen der syrischen Regierung eine Stimme zu geben. Die Europäische Union wollte am Freitag über mögliche Sanktionen gegen Syrien beraten.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte in Berlin, in der EU müsse die gesamte Zusammenarbeit mit Syrien auf den Prüfstand. Bei den Beratungen der zuständigen Botschafter müssten auch „konkrete Maßnahmen von einer Suspendierung der Zusammenarbeit mit Syrien bis hin zu gezielten Sanktionen diskutiert werden“.

Deutschland und weitere EU-Staaten bestellten nach Angaben des Auswärtigen Amts in einer „konzertierten Aktion“ die syrischen Botschafter ein, um ihnen gegenüber die Verurteilung der Gewalt zum Ausdruck zu bringen. Auch in Paris, London, Rom, Madrid und Brüssel wurden die jeweiligen Botschafter einberufen, wie von den dortigen Ministerien zu erfahren war.

Bei der Europäischen Union sind in der Debatte um Sanktionen „alle Optionen auf dem Tisch“, sagte der Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Mittwoch in Brüssel. Dem Vernehmen nach geht es um Reisebeschränkungen für Verantwortliche des Regimes oder das Einfrieren von Vermögenswerten.

Im südsyrischen Daraa, wo die Protestbewegung gegen Staatschef Baschar el Assad Mitte März begann, gingen die Sicherheitskräfte nach Angaben eines oppositionellen Aktivisten weiter gewaltsam gegen Demonstranten vor. Am Dienstag seien mindestens sechs Menschen erschossen worden, sagte Abdullah Abasid in einem Telefonat. UN-Vizegeneralsekretär B. Lynn Pascoe schätzte die Zahl der seit Mitte März in Syrien getöteten Menschen auf 350 bis 400. Menschenrechtsgruppen gehen dagegen von mindestens 450 Toten aus.

Die Opposition ruft um Hilfe. Nach ihren Angaben steht ein blutiges Gemetzel der Regierungskräfte in Daraa bevor. Die Regimegegner hoffen auf besonnene Armee-Offiziere. Teile der Protestbewegung in Syrien bemühen sich derweil um eine Verständigung mit den Einheiten der Streitkräfte, die nicht als verlängerter Arm der Führungsriege um Präsident Assad gelten.

Auf den Websites der Assad-Gegner wurden am Mittwoch Aufnahmen veröffentlicht, auf denen Dutzende Sattelschlepper mit Panzern zu sehen sind, die auf einer Schnellstraße fahren. Die Oppositionellen erklärten, es handele sich um Verstärkung für die Truppen, die am Osterwochenende in die Stadt Daraa eingedrungen waren.

Unterdessen nimmt die Zahl der Ausländer zu, die wegen der Lage in Syrien das Land verlassen. Augenzeugen in Damaskus sagten am Mittwoch, unter den Ausreisenden seien auch Angehörige von Botschaftsmitarbeitern sowie Vertreter verschiedener Institutionen.
Das Goethe-Institut in Damaskus wird von diesem Freitag an auf unbestimmte Zeit geschlossen. Das Auswärtige Amt hatte am Dienstag allen in Syrien lebenden Deutschen geraten, auszureisen. (AFP/dpa)

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