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Politik: Keine Kampftruppen ohne Konsens

Herr Steiner, woher kommt der Optimismus, daß eine politische Lösung im Kosovo-Krieg jetzt möglich ist?Das Wort Optimismus ist in der Tat nicht angebracht.

Herr Steiner, woher kommt der Optimismus, daß eine politische Lösung im Kosovo-Krieg jetzt möglich ist?

Das Wort Optimismus ist in der Tat nicht angebracht.Aber es gibt Indizien, daß die Nato-Strategie zu wirken beginnt - Indizien aus Belgrad, aber auch Anzeichen, daß trotz allen Klapperns eine gemeinsame Plattform auch mit Rußland möglich wird.Ich bin überzeugt, daß Präsident Jelzin zu einer Lösung kommen will, die sich mit unserer Zielsetzung vereinbaren läßt.

Welche sind die Indizien aus Belgrad?

Die Reaktionen aus der Bevölkerung und von den demokratischen Kräften werden ein wenig differenzierter.Besonders wichtig ist: Die Führung in Belgrad realisiert, daß Milosevic sie nicht mehr beschützt.Er stellt für sie keine Zukunft mehr dar.

Die Anklage des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag ist in diesem Sinne also hilfreich?

Sie wird strategisch ihre Wirkung entfalten - wie eine Katharsis.So haben wir das auch in Bosnien erlebt.Natürlich kann man fragen, ob das ein günstiger Moment ist.Nur funktioniert die Justizmaschinerie nach ihren eigenen Regeln.

Kann man mit Slobodan Milosevic noch Frieden schließen?

Man kann, man muß mit der Belgrader Führung sprechen.Der unmittelbare Friedensschluß muß mit dem Machthaber erfolgen.Das ist bitter, aber man wird nicht ausschließen können, daß Finnlands Präsident Ahtisaari, der EU-Beauftragte, und der russische Sonderbeauftragte Tschernomyrdin, den wir unterstützen, mit Milosevic reden.Da gibt es trotz der Anklage kein rechtliches Hindernis.Er kann auch rechtswirksam Verpflichtungen eingehen.Aber eine langfristige Stabilisierung auf dem Balkan wird es mit Milosevic nicht geben.

Bekommt Milosevic etwa zur Unterzeichnung eines Friedensvertrages in Rambouillet freies Geleit?

Nein, auf keinen Fall.Das ist undenkbar.Wenn ein Staat, egal welcher, Herrn Milosevics habhaft würde, gäbe es nur eins: Er müßte an den internationalen Gerichtshof überstellt werden.

Ist es klug, mit Blick auf Milosevic an Hitler zu erinnern?

Nein.

Hat sich die Zielplanung der Nato geändert - in Richtung Milosevic?

Geändert? Nein.Es mag sein, daß sich die Dinge intensiviert haben.

Noch einmal zu den Bodentruppen.Sie sollen irgendwann sowieso ins Kosovo einrücken, um Flüchtlinge zurückzubringen.Wenn nun der Diktator Milosevic seine Vertreibungspolitik fortsetzt, muß der Westen dann nicht doch vorher einmarschieren?

Jegliches Vorgehen am Boden im Kosovo setzt eine Autorisierung der Vereinten Nationen voraus.Es ist ja wahr: Wir handeln mit guten Gründen, aber ohne ausdrückliches Mandat des Sicherheitsrats.Etwas zu tun, was jetzt noch über Luftschläge hinausgeht, benötigt ganz sicher den Konsens der internationalen Gemeinschaft.

Also kommen Bodentruppen.

Zu Tausenden werden Bodentruppen da hineingehen, schwer ausgerüstet, bis an die Zähne bewaffnet.Das wird so sein müssen, weil selbst nach einem Friedensschluß, selbst nach der Autorisierung durch den Sicherheitsrat, die Lage dort gefährlich bleibt.Da wird es marodierende Freischärler geben, da wird es lokale Bürgermeister geben, die nicht das tun, was man vereinbart hat - wir kennen das aus Bosnien.Daher wissen wir auch: Wir werden wahrscheinlich länger bleiben müssen, als wir uns jetzt vorstellen können.Aber noch mal: Bodentruppen ja, auch schwer bewaffnet, aber keine Kampftruppen ohne Konsens der internationalen Gemeinschaft und ohne Sicherheitsratsbeschluß.

Kann man den Russen den Oberbefehl über eine solche Truppe geben?

Nein, die hat Rußland selbst auch nicht gefordert.

Aber eine deutsche Beteiligung wird es wieder geben.

Theoretisch ginge es auch ohne Deutschland.Aber unsere Partner hätten wenig Verständnis, wenn wir wieder in eine Haltung zurückfielen, die wir einmal eingenommen haben, als wir uns noch auf unsere Verfassung und unsere Lage als geteiltes Land berufen konnten.Ich glaube, darüber gibt es Einverständnis mit den Oppositionsparteien: Wir können uns nicht drücken.

Die Russen sind mit der Beteiligung an den Entscheidungen in der bosnischen Friedenstruppe unzufrieden.Was kann man Moskau denn in einer Kosovo-Truppe anbieten?

Die Kommandostruktur in Bosnien ist erstaunlich wirkungsvoll.Es hatte Meldungen über einen angeblich bevorstehenden russischen Rückzug gegeben.Aber Rußland ist weiter beteiligt.Das finde ich auch sehr gut.Auch für das Kosovo gilt: Hauptkriterium muß Funktionsfähigkeit sein, nicht Gesichtswahrung.Dazu ist dieser Auftrag viel zu ernst.Alle Länder, die Truppen stellen, haben eine Schutzpflicht gegenüber ihren Soldaten; Teil dieser Schutzpflicht ist eine Kommandostruktur, die funktioniert.

Mit anderen Worten: Es muß eine Nato-Struktur sein, und die Russen müssen sich in dieses Schicksal fügen.

Darum geht es nicht.Rußland wird beteiligt.Aber es muß effektiv geschehen, damit wir nicht in eine Lage kommen, wie wir es zeitweilig bei der UN-Friedenstruppe UNPROFOR in Bosnien waren.Im Falle eines Falles muß man gemeinsam, schnell und notfalls hart reagieren können.Da kann es kein Veto-Recht für einen beteiligten Staat geben und auch nicht für die Vereinten Nationen.

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