zum Hauptinhalt
Foto: dpa

© dpa

Politik: Keiner will einfach

Breite Front gegen Kirchhofs Steuerreform

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Die große Steuerreform nach Paul Kirchhof wird auf absehbare Zeit Theorie bleiben. Wie schon vor fünf Jahren erntete der Finanzexperte und Verfassungsjurist Kirchhof auch nach der jüngsten Veröffentlichung seiner Reformpläne in dieser Woche zwar Lob und Anerkennung für sein Werk. Unter den im Bundestag vertretenen Parteien fand sich jedoch keine einzige, die sein Konzept auf seine Realitätstauglichkeit überhaupt nur prüfen, geschweige denn es umsetzen will.

Kirchhof schlägt eine radikale Vereinfachung des Steuersystems und die Einführung eines Stufentarifs in der Einkommenssteuer vor. Konzeptionell würde man es wohl am ehesten von der FDP erwarten, dass sie sich die Reformvorschläge zu eigen macht. Schließlich dringt ja gerade sie seit Jahren auf Steuersenkung und Steuervereinfachung, etwa bei der Mehrwertsteuer. Und auch die Einführung eines Stufentarifs ist nach wie vor geltende Beschlusslage der Partei. Doch auch bei den Liberalen war man am Tag nach dem Bekanntwerden von Kirchhofs Konzeptwerk „Bundessteuergesetzbuch“ äußerst zurückhaltend. Ohne den Heidelberger Steuerrechtler namentlich zu nennen, warnte FDP- Fraktionschef Rainer Brüderle vor einer „neuen abstrakten Grundsatzdiskussion“, auch wenn diese „intellektuell reizvoll“ wäre. Der FDP, beschrieb Brüderle die politische Marschrichtung seiner Fraktion, gehe es vielmehr darum, kleine und mittlere Einkommen noch in dieser Legislaturperiode zu entlasten.

Mindestens genauso deutlich war Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits am Dienstag vor den Abgeordneten von CDU und CSU geworden. Kirchhofs Pläne einer 25-Prozent-Flat-Tax (mit zwei kleinen Vorstufen) passen nicht zur „Lebenswirklichkeit der Menschen“, sagte Schäuble nach Angaben von Teilnehmern der Fraktionssitzung. Man könne niemandem erklären, warum ein Vorstandschef genauso besteuert werden soll wie sein Fahrer. Außerdem passe es nicht zum Gebot der sozialen Verantwortung, wenn – wie es Kirchhof vorsieht – Arbeitnehmer ihre Steuerlast nicht verringern können, wenn sie gemeinnützige Arbeit, etwa als Übungsleiter für Schülersportgruppen, leisteten. Ohne eine gesellschaftliche Akzeptanz sei jedoch eine solche Reform nicht umsetzbar, wurde Schäuble zitiert. Mit zustimmendem Nicken und Applaus sei ihm die Fraktion hernach gefolgt.

Kirchhof will das deutsche Steuerrecht radikal vereinfachen: Statt rund 30 000 nur noch 146 Paragrafen und statt 32 Bundessteuern noch 4 Steuern. Zugleich sollen alle 534 Ausnahmetatbestände wie die Pendlerpauschale wegfallen. Unabhängig von der Höhe des Einkommens ist ein Einheitssteuersatz von 25 Prozent vorgesehen. Angesichts des aktuell komplizierten Steuersystems hatten sich mehrere Politiker von CDU und FDP dafür ausgesprochen, sich mit den Vorschlägen der Vereinfachung zu beschäftigen. Von SPD, Grünen, Linken und auch den Gewerkschaften gab es indes deutlichen Widerstand. Antje Sirleschtov

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false