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Kenia: Auf dem Weg zu neuem Recht

Kenia reformiert die Verfassung und gibt dem Parlament mehr Macht / Merkel will in Nairobi über erneuerbare Energien reden

Berlin - Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am kommenden Dienstag in Kenia eintrifft, findet sie ein Land vor, das sich in eine neue verfassungsrechtliche Ordnung aufgemacht hat, das sich aber nur schwer aus dem Griff seiner politischen Klasse befreien kann. Nach den Gewaltausbrüchen nach der Wahl Ende 2007 mit rund 3000 Toten begann der Wiederaufbau. Ein Ergebnis ist eine neue liberale Verfassung, die in einer Volksabstimmung überwältigend angenommen worden ist. Die wichtigste Neuerung ist eine klare Machtteilung zwischen Justiz, Parlament und Regierung.

Das neue Recht soll in Stufen bis zur Wahl im kommenden Jahr umgesetzt werden. Aber schon sind wichtige exekutive Aufgaben vom Präsidenten ans Parlament übertragen worden. Weitere Kompetenzen sollen an die regionalen Regierungen in den Provinzen abgegeben werden. Unter dem neuen Recht werden die Staatseinnahmen – lange das alleinige Vorrecht des Finanzministers und das Mittel, politische Loyalitäten zu belohnen – je nach wirtschaftlicher Stärke der Provinzen aufgeteilt. Eine unabhängige Verfassungskommission wird die Aufteilung der Ressourcen überwachen.

Sogar die kenianische Justiz, die bisher vor allem durch Korruption und Nepotismus aufgefallen war, hat nun begonnen, das Verhalten der politischen Klasse zu überwachen. So war beispielsweise die Berufung des obersten Richters ein Beweis für diese neue Unabhängigkeit. Das Parlament und die Umsetzungskommission für die neue Verfassung wiesen den Kandidaten zurück, den Präsident Mwai Kibaki präsentiert hatte. Stattdessen gab es einen öffentlichen Bewerbungsprozess. Schließlich wurde Willy Mutunga wegen seiner liberalen Vorstellungen und seiner Qualifikation als Jurist berufen, sehr zum Ärger der politischen Elite.

Die kenianische Wirtschaft, die größte in Ostafrika mit einem Bruttoinlandsprodukt von 25 Milliarden Euro, ist seit 2008 trotz der Finanzkrise stetig gewachsen. Allerdings bremst die politische Unsicherheit das Wachstum. Die Weltbank und der Weltwährungsfonds (IWF) haben ihre Wachstumsvorhersagen wegen des „volatilen politischen Umfelds“ gesenkt. Doch Kenia hat ehrgeizige Pläne. Die „Vision 2030“ ist ein Entwicklungsplan, der Kenia innerhalb von 19 Jahren zu einem Land mittleren Einkommens machen soll. Allerdings hatte Kenia immer große Pläne. Der bisher letzte sollte dasselbe Ziel bereits im Jahr 2000 erreichen. Bisher fehlte es stets am Engagement der Regierung, um sie auch zu verwirklichen.

Trotz der positiven Entwicklungen leidet Kenia weiter unter der Korruption und der Straflosigkeit der politischen Elite. Auch die Berufung eines erfahrenen Anwalts, Patrick Lumumba, an die Spitze der Anti-Korruptions-Kommission konnte das noch nicht aufbrechen. Minister beider politischer Lager, der Partei des Präsidenten Mwai Kibaki und der Partei seines Gegenspielers Premierminister Raila Odinga, sind in große Korruptionsfälle verwickelt. Im jüngsten Fall geht es um die schwindelerregende Summe von 35 Millionen Euro, die von der britischen Regierung für den kostenlosen Grundschulbesuch überwiesen worden ist. Bildungsminister Sam Ongeri will dennoch nicht zurücktreten und beschuldigt die Bürokraten in seinem Ministerium und seine „politischen Gegner“, ihn zu Fall bringen zu wollen. Großbritannien verlangt die Rückzahlung des Geldes und will es dann über nichtstaatliche Kanäle doch noch in die Ausbildung in den Grundschulen investieren.

Der einflussreiche Parlamentarier Harun Mwau wird vom Präsidenten der USA, Barack Obama, beschuldigt, einer der mächtigsten Drogenbarone in der Region zu sein. Mindestens zehn amerikanische Regierungsinstitutionen haben sein Treiben jahrelang beobachtet und sehen einen „wasserdichten Fall“. Die Regierung Obama hat daraufhin seinen Besitz in den USA beschlagnahmen lassen und Sanktionen gegen ihn verhängt.

Als Angela Merkel Afrika 2007 zum ersten Mal besuchte, lag der Schwerpunkt der Reise bei der Bekämpfung von tödlichen Krankheiten, der Armutsbekämpfung und dem Schutz der Menschenrechte. Ihr aktueller Besuch soll dazu dienen, Wirtschaftsbeziehungen zu fördern. Denn die afrikanischen Ökonomien sind dringend auf Auslandsinvestitionen angewiesen. Merkel muss sich zudem mit dem wachsenden chinesischen Einfluss auf dem Kontinent auseinandersetzen. China hat Kenia seit einem Jahrzehnt im Blick und verschiedene Projekte finanziert, wie beispielsweise eine neue Autobahn zwischen der Hauptstadt Nairobi und Zentralkenia. Zudem hat China das zweitgrößte Krankenhaus in Nairobi gebaut.

Merkels wichtigstes Thema, wenn sie am Dienstag getrennte Gespräche mit Mwai Kibaki und Raila Odinga führen wird, werden erneuerbare Energien sein. Kenias wachsender Energiebedarf übersteigt die Produktionskapazitäten aus Wasserkraft und Geothermie inzwischen bei weitem. Derzeit ist im Norden des Landes beim Lake Turkana der größte Windpark Afrikas im Bau. Die Leistung wird nach der Fertigstellung im kommenden Jahr bei 300 Megawatt liegen.

Der Autor ist Online-Redakteur der kenianischen Tageszeitung „The Daily Nation“. Er arbeitet im Rahmen des Journalistenaustauschprogramms IJP beim Tagesspiegel. Übersetzung: Dagmar Dehmer

Emmanuel Onyango

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