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Kenia: Pokern in Nairobi

Kofi Annan will an diesem Montag wieder Gespräche zwischen Kenias Regierung und der Opposition leiten. Zwar hat sich die Lage in Kenia augenscheinlich stabilisiert, von der Normalität ist das Land aber immer noch weit entfernt.

Berlin - Das Tauziehen um die Machtverteilung in Kenia dauert an. Entgegen der Hoffnung des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan, der einen Durchbruch in dem ostafrikanischen Land vor dem Wochenende erwartet hatte, konnten sich Regierung und Opposition bisher nicht auf ein Modell zur Machtteilung einigen. Die Verhandler des umstrittenen Präsidenten Mwai Kibaki hatten Annan und die Vertreter von der Opposition am Freitag mehrere Stunden warten lassen. Die Gespräche sollen nun an diesem Montag fortgesetzt werden.

Seit vier Wochen ist Annan im Land, und vordergründig scheint sich die Situation zu stabilisieren. Seit den Präsidentschaftswahlen Ende Dezember hat Kenia die schwersten Unruhen seit der Unabhängigkeit erlebt. Mehr als tausend Menschen sind bei Stammeskonflikten und Protesten gestorben, eine halbe Million Menschen wurde vertrieben. Doch jetzt sind Straßen wieder passierbar, Geschäfte haben geöffnet, es gibt kaum gewalttätige Übergriffe. Jedoch sei dies eine scheinbare Ruhe, die nicht als „Rückkehr zur Normalität“ missverstanden werden sollte, warnt die International Crisis Group in einem Bericht. Die Krise sei tief in der Geschichte des Landes verwurzelt, eine Machtteilung zwischen Präsident Mwai Kibaki und seinem Gegner Raila Odinga allein reiche nicht aus, um die Lage zu befrieden. Dazu brauche es unter anderem eine Reform der Landverteilung und eine neue Verfassung. Für einen erfolgreichen Ausgang der Verhandlungen fordert die Crisis Group mehr Druck seitens der internationalen Gemeinschaft.

Denn je länger sich die Gespräche hinauszögern, desto fester sitzt die Regierung im Sattel. Die Opposition muss, um die eigene Position zu stärken, die Massen weiter mobilisieren können. Sollten bis Mittwoch keine Ergebnisse vorliegen, sind neue Protestmärsche angekündigt. „Jeder Kommentar der Beteiligten wird mit großer Aufmerksamkeit verfolgt“, sagt Kennedy Odhiambo. Er leitet eine Jugendgruppe in Nairobis zweitgrößtem Slum Mathare. Odhiambo ist Luo wie Odinga. „Es gibt in Mathare keine Kikuyus mehr“, sagt er. Die Angehörigen von Kibakis Stamm sind abgewandert. Ohne Resultate auf der politischen Ebene falle das Land in eine Lethargie: „Einen wirklichen Fortschritt gibt es bislang nicht.“

In dem Konflikt steht mehr auf dem Spiel als der Kollaps des kenianischen Staates. Das Land dient als Operationsplattform für Hilfsorganisationen in Somalia und dem Sudan, als Rettungshafen für Flüchtlinge aus der gesamten Region, als Anker für die wirtschaftliche Stabilität in Uganda, Ruanda, Burundi, dem Ostkongo und dem Südsudan. Ein dauerhafter Zusammenbruch der Verkehrsverbindungen wäre für diese Länder eine wirtschaftliche Katastrophe.

Der SPD-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, war selbst in Kenia, um den Verhandlungsteams von Kibaki und Odinga zu beschreiben, wie eine große Koalition funktioniert. „Dass ich mal Werbung für eine große Koalition machen würde, hätte ich nicht gedacht“, sagte er dem Tagesspiegel. „Ich bin immer noch ein Rot-Grüner.“ Aber in der kenianischen Krise gebe es wohl nicht mehr viele Alternativen, meint Erler – das sieht auch Kofi Annan so.

Da sich Deutschland in der Krise nie eindeutig festgelegt hat, obwohl Berlin früh kritisiert hatte, dass bei der Auszählung der Stimmen für die Präsidentenwahl nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war, „konnte ich ohne auf große Vorbehalte zu stoßen, Sachinformationen geben“, sagt Erler. Hier habe sich die „Neutralität bezahlt gemacht“.

Erler ist beeindruckt von der „erstaunlichen Kondition“ Annans. Er ist überzeugt: „Der macht den Job zu Ende.“ Jedoch sieht Erler den „Ball nun auf der Regierungsseite“. Die Opposition habe sich längst bewegt und verlange nun weder den Rücktritt Kibakis noch eine sofortige Neuwahl. Doch bis vor wenigen Tagen tat sich im Regierungslager wenig. Erler sagte auch, die „harsche Kritik“ der Verhandlungsführerin des Kibaki-Teams, Martha Karua, an Kofi Annan „war ja eine Bewerbung um den schwarzen Peter, falls die Gespräche scheitern“. Vielleicht hat die Regierungsseite das begriffen. Über die Einrichtung eines Premiers scheinen sich beide Seiten geeinigt zu haben. Damit Raila Odinga diesen Posten übernehme, müsse der aber mit Machtbefugnissen ausgestattet sein, fordert die Opposition. Befugnisse, die der Präsident abtreten muss.

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