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Hilfe von höheren Mächten. Kenias Präsident, Uhuru Kenyatta (l.), und sein Vize William Ruto beten, dass der Internationale Strafgerichtshof sie freispricht. Foto: John Muchucha/AFP

© AFP

Politik: Kenia will Strafgerichtshof verlassen

Am Dienstag beginnt der Prozess gegen Vizepräsident William Ruto in Den Haag.

Berlin - In Kenia regiert die Panik – in Gestalt des im März gewählten Präsidenten Uhuru Kenyatta und seines Vizepräsidenten William Ruto. Seit ihrem Amtsantritt im Frühjahr haben Kenyatta und Ruto all ihre diplomatischen Bemühungen dahin gerichtet, dass die Anklagen gegen sie vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag fallen gelassen und die Prozesse gegen sie nicht eröffnet werden. In dieser Woche diskutiert das kenianische Parlament sogar darüber, dass das Land aus dem IStGH austreten soll. Am Dienstag beginnt der Prozess gegen William Ruto in Den Haag.

Kenyatta und Ruto hatten mit ihrer diplomatischen Offensive durchaus Erfolg. Die Afrikanische Union hat im Mai eine Resolution verabschiedet, in der dem IStGH Rassismus vorgeworfen wird, weil bisher ausschließlich gegen Kriegsverbrecher und Völkermörder in Afrika verhandelt wird. Zudem verlangt die Afrikanische Union vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die Fälle vor dem IStGH zu „beenden“. Der UN-Sicherheitsrat hat über dieses Anliegen bisher nicht beraten – und wird es wohl auch kaum tun. Denn er kann dem IStGH nicht vorschreiben, wie er seine Verfahren zu führen hat, geschweige denn sie von New York aus beenden.

Am kommenden Dienstag wird der Prozess gegen William Ruto vor dem IStGH in Den Haag eröffnet. Ruto wird vorgeworfen, nach der Wahl im Dezember 2007 Angehörige seiner Ethnie angestiftet zu haben, Jagd auf Angehörige anderer Ethnien zu machen, die bei der Wahl die Partei des damaligen Präsidenten Mwai Kibaki unterstützt hatten. Mit Ruto ist der ehemalige Radiomoderator Joshua Sang angeklagt, der in der Auseinandersetzung 2008 mit Hetzreden aufgefallen war. Beiden wird Beihilfe zum Mord, zu Verfolgung und Vertreibung vorgeworfen.

Am 12. November muss sich dann auch der Präsident, Uhuru Kenyatta, in Den Haag verantworten. Ihm wird Anstiftung zur Gegengewalt in den Nach-Wahlauseinandersetzungen vorgeworfen. Ruto und Kenyatta standen 2007/2008 gegeneinander. Rutos Ethnie, die Kalenjin, machten im Rift-Valley Jagd auf Kikuyus, dem Volk, zu dem auch Kenyatta gehört. Kenyatta wiederum soll als Reaktion darauf eine verbotene Kikuyu-Sekte, die Mungiki, auf Kalenjin und Luos gehetzt haben. Die Luos aus dem Westen des Landes haben den Gegenkandidaten Kibakis 2007 und Kenyattas 2013, Raila Odinga, unterstützt. Bei den Konflikten starben mehr als 1100 Menschen, rund 600 000 Menschen wurden vertrieben – einige Zehntausend leben bis heute in Zeltstädten.

Ruto und Kenyatta fanden sich vor der Wahl 2013 als Verbündete gegen Den Haag zusammen – und wurden mit der Parole „Diese Wahl ist ein Referendum gegen den IStGH“ knapp gewählt. Seit Monaten ziehen sich immer mehr Zeugen aus dem Verfahren zurück, weil sie um ihr Leben fürchten. Sie begründeten ihren Schritt damit, „dass sie ihre Familien vor dem Druck und der Angst“ beschützen müssten. Andere Zeugen sind einfach „verschwunden“. Phakiso Mochocho vom IStGH beklagte im kenianischen Privatfernsehsender KTN, dass noch in keinem anderen Fall Zeugen so massiv unter Druck gesetzt worden seien wie in Kenia. Mochocho sagte: „Ohne Zeugen, ohne Aussagen haben wir keinen Fall.“

Genau das ist das Ziel der Verteidiger von Kenyatta und Ruto. Erst in dieser Woche hat eine Menschenrechtsorganisation einen Bericht vorgelegt, der dokumentiert, unter welchen Repressionen Aktivisten leben, die in die Vorbereitung des IStGH-Verfahrens eingebunden sind.

Während die Anklage von Chefanklägerin Fatou Bensouda – es ist ihr erster großer Fall – immer mehr zerbröselt, versuchen Ruto und Kenyatta durchzusetzen, dass sie möglichst selten in Den Haag sein müssen. Tatsächlich hat der Strafgerichtshof im Falle Rutos entschieden, dass er nicht an jedem Sitzungstag teilnehmen müsse, weil das mit seinen Pflichten als Vizepräsident Kenias kollidiere. Allerdings steht die Entscheidung der Berufungskammer dazu noch aus. Diese verpflichtete Ruto, bis zur Entscheidung an den Sitzungstagen teilzunehmen. Bis November dürfte er wohl viel Zeit in Den Haag verbringen. Damit er den ersten Tag nicht allein im Gerichtssaal sein muss, reisen am Montag 84 kenianische Abgeordnete nach Den Haag, um ihm „moralische Unterstützung“ zu geben. Derweil sinkt die Zustimmung der Kenianer zum Strafgerichtshof. Nur noch 39 Prozent unterstützen den IStGH noch.

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