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Politik: Kinder sind uns lieb und teuer

Warum Schröder im TV-Duell das Kindergeld-Versprechen abschwächte – zu Gunsten eines besseren Betreuungsangebots

Von Hans Monath

Es kommt selten vor, dass die Wirtschaft die SPD zu einer Entscheidung drängt, die sie schon längst getroffen hat. Auf einem McKinsey-Kongress zur Bildung in Berlin sah sich der Düsseldorfer Regierungschef Wolfgang Clement mit der Forderung konfrontiert, dem Ausbau der Kinderbetreuung Vorrang zu geben vor neuen Kindergeld-Erhöhungen – im Interesse der Volkswirtschaft. Der stellvertretende Parteichef entgegnete, das SPD-Präsidium sei sich in diesem Ziel doch einig. Dazu passte Gerhard Schröders Aussage im TV-Duell, wonach es eine weitere Erhöhung des Kindergeldes nur mit bestimmten Wachstumsraten geben werde. Damit hatten Clement und Schröder wiederholt, was zwar im SPD-Wahlprogramm steht, aber niemand so recht zur Kenntnis genommen hatte. Vier Milliarden Euro will die SPD an die Länder geben, um damit das Angebot an Ganztagesbetreuung auszubauen. Eine weitere Kindergelderhöhung nach den drei Steigerungen der vergangenen Legislaturperiode, so wiederholte Schröder am Montag, werde es deshalb nur geben „wenn wir den finanziellen Spielraum haben". Diese Einschränkung hatte Sparkommissar Hans Eichel seiner Partei vor Wochen verordnet.

Dem Ausbau eines flächendeckenden Angebots an Kinderbetreuung Vorrang zu geben vor einem weiteren Anheben der individuellen Geldzahlungen an Eltern war die grundlegende Entscheidung der SPD-Familienstrategen um die Partei-Vizechefin Renate Schmidt, die der SPD zu einem moderneren Familienbegriff verholfen haben. Ihr wichtiges Argument für die Entscheidung lautet, die am besten ausgebildete Generation von Frauen in der deutschen Geschichte dürfe angesichts eines miserablen öffentlichen Betreuungsangebots nicht zur Wahl zwischen Beruf und Kind gezwungen werden. Die Frauen sollten künftig beide Aufgaben vereinbaren können.

Während das „Heidelberger Büro für Familienfragen" kritisiert, die SPD setze mit dem Vorrang für die Betreuung auf „mehr Staat statt mehr Entscheidungsfreiheit", stützen auch viele Wirtschaftsvertreter den Kurs. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung bilanziert, die deutsche Familienpolitik sei viel zu stark auf Geldleistungen fixiert, das Potenzial der Frauen mit Kindern könne wegen mangelnder Betreuung nicht genutzt werden. Mitautor Werner Eichhorst wagt gar die These: „Mehr Kindergeld ist bei knappen Kassen eher kontraproduktiv." So radikal ist die SPD freilich nicht. „Mittelfristig", verspricht die Partei, soll das Kindergeld auf 200 Euro steigen.

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