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Politik: Kinderbetreuung: Quote gut - alles gut?

Für Familienministerin Christine Bergmann (SPD) war der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung". Tatsächlich findet heute praktisch jedes Kind zwischen drei und sechs Jahren einen Platz im Kindergarten, wenn die Eltern es wollen - statistisch gesehen zumindest.

Für Familienministerin Christine Bergmann (SPD) war der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung". Tatsächlich findet heute praktisch jedes Kind zwischen drei und sechs Jahren einen Platz im Kindergarten, wenn die Eltern es wollen - statistisch gesehen zumindest. Vor genau fünf Jahren, am 1. August 1996, wurde der Rechtsanspruch im Sozialgesetzbuch festgeschrieben. Ende 1998 verzeichnete das Statistische Bundesamt etwa 2,5 Millionen Kindergartenplätze.

"Im Grunde reicht das Angebot", meint die Sprecherin des Deutschen Familienverbandes, Frauke Obländer. 89,5 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen sind nach den Berechnungen des Familienministeriums damit rein rechnerisch mit den 2,5 Millionen Plätzen versorgt (im Westen betrug die Quote zum Zeitpunkt der Erhebung 90 Prozent, im Osten lag sie bei 112 Prozent, eine Nachwirkung der allumfassenden DDR-Betreuung, die wegen der sinkenden Geburtenzahlen nach der Wende bald überdimensioniert war). Doch mit dieser Versorgungsquote ist es nicht getan, meint Ministerin Bergmann. "Es fehlt an Betreuungsangeboten - auch an Ganztagsbetreuung - für die Kinder unter drei Jahren und für die Kinder von sechs bis zehn Jahren", sagte sie dem Tagesspiegel. Auch hier will sie, wie bei den Kindergärten, "bundesweit ein bedarfsgerechtes Angebot". Besonders in den westlichen Bundesländern sieht die Familienministerin noch einen großen Nachholbedarf. "Diese Lücken müssen von den Ländern und Kommunen dringend geschlossen werden", fordert sie und weist darauf hin, dass der Bund bereits einen Großteil der Kosten für Kinderbetreuung übernommen hat.

Doch auch wenn bei den Kindergärten die gesetzlich garantierte Zahl der Plätze insgesamt reicht, sind sie doch nicht gleich über das Land verteilt. In den ostdeutschen Ländern gibt es sogar eine Überversorgung. Im CDU-regierten Thüringen standen 1998 je 100 Kinder 129,3 Plätze zur Verfügung; Schlusslicht waren damals Hamburg und der Westteil Berlins mit 65,3 beziehungsweise 70,2 Plätzen. In beiden Städten hat sich das Angebot zwar erhöht (Hamburg spricht heute von über 90 Prozent), nach wie vor besteht aber vor allem in den Ballungsgebieten noch ein Mangel an Kindergartenplätzen.

Besonders schwierig sind häufig auch die Öffnungszeiten. "Die sind oft einfach nicht mit den Arbeitszeiten der Eltern in Einklang zu bringen", klagt Frauke Obländer. Deswegen registriert sie immer noch einen großen Bedarf an Ganztagsangeboten für die Betreuung von Kindern. Anders als bei der Versorgung mit Plätzen im Kindergarten, gibt es oft noch große Lücken bei den Angeboten an Krippenplätzen für die Kinder bis zu drei Jahren. Auch hier weisen die Zahlen des Familienministeriums von 1998 ein Ost-West-Gefälle aus. In den Ostbezirken Berlins gibt es für jedes zweite Kleinkind einen Krippenplatz, ebenso in Brandenburg. Sachsen und Thüringen wiesen 24,1 und 25,9 Plätze je 100 Kinder unter drei Jahren auf.

Bei den alten Ländern fällt der Westteil Berlins mit 23,4 Plätzen je 100 Kleinkinder aus der Reihe, in Niedersachsen waren es 1,8, in Hessen 2,6 und in Bayern 1,4. In allen anderen westdeutschen Ländern sieht es ähnlich aus, auch wenn die Zahl der Krippenplätze in den drei Jahren gestiegen ist, die seit dieser Zählung vergangen sind. Vor allem die westdeutschen Großstädte verzeichnen einen kräftigen Zuwachs an Krippenplätzen. In Hamburg sind mittlerweile fast 18 Prozent der Allerjüngsten in einer Krippe untergebracht.

Für Frauke Obländer ist die auch von Familienministerin Bergmann erhobene Forderung nach deutlich mehr Krippenplätzen "eine zweischneidige Sache". Ihr Verband trete zwar dafür ein, mehr Betreuungsangebote für die Kleinkinder zu schaffen, erklärte die Sprecherin des Familienverbandes: "Aber vorrangig sollte die Familie in die Lage versetzt werden, die Betreuung ihres Kindes in der ersten Zeit selbst zu leisten - sofern sie das will." Bergmann und die rot-grüne Bundesregierung streben an, die Zahl der Krippenplätze zu erhöhen, damit vor allem für Frauen Beruf und Familie künftig leichter zu vereinbaren sind als heute. "Die Länder und Kommunen sind jetzt gefordert, das Angebot an Kinderbetreuung tatsächlich auszubauen, wie sie es angekündigt haben", mahnt die Familienministerin.

Einen Sonderweg bei der Kinderbetreuung geht Bayern. Der Freistaat hat den Anspruch auf einen Kindergartenplatz nicht in sein Landesrecht übernommen. "Wir erfüllen ihn in der Praxis", meinte ein Sprecher des bayerischen Sozialministeriums. Die Versorgungsquote von derzeit 93 Prozent entspreche dem tatsächlichen Bedarf im Lande, weil einige Eltern auf den Platz für ihre Kinder verzichteten.

Carsten Germis

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