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Kinderporno-Sperre: Ein Stoppschild fürs reine Gewissen

Ursula von der Leyen will Kinderpornografie eindämmen. Doch statt dem Problem auf den Grund zu gehen, hängt sie nur ein Warnschild auf. Ein Kommentar.

Voller Stolz hat Familienministerin Ursula von der Leyen heute den Kampf gegen Kinderpornografie im Internet "vertraglich fixiert". Sie habe, sagte sie, dafür gesorgt, dass der Zugang dazu erschwert wird. Das stimmt. Der Vertrag, den fünf Internetanbieter mit dem Bundeskriminalamt öffentlichkeitswirksam unterzeichneten, erschwert den Zugang zu kriminellen Inhalten – ungefähr so, wie ein rotweißes Flatterband mit der Aufschrift "Polizei" einen Tatort absperrt. Solange kein Polizist daneben steht, ist das Band kein Hindernis, geschweige denn eine Mauer. Es ist nur ein Alibi.

Selbstverständlich braucht es Wege, die Verbreitung von Misshandlungsdokumenten zu verhindern, sie gleich einem Waldbrand wenigstens einzudämmen. Aber es braucht doch bitte wirksame Wege, die nicht auch noch den Ruch haben, Grundrechte auszuhebeln.

Um einen Paravent kann man herumlaufen

Bei einem Waldbrand, um im Bild zu bleiben, würde niemand auf die Idee kommen, nur einen Paravent davor zu stellen, mit der Aufschrift: Stopp, ab hier wird es heiß und gefährlich. Damit zufällig vorbeikommende Spaziergänger die Flammen nicht sehen – zumindest, solange sie nicht um den Paravent herumlaufen.

Genau das aber geschieht beim Missbrauch von Kindern. Statt die Server mit den Inhalten abzuschalten, die Flammen also zu löschen, wird nur ein Stoppschild davor gehängt. Erreichbar sind die Fotos und Filme weiterhin. Zumindest für all jene, die sich die Mühe machen, um den Paravent herumzugehen.

Es kann etwas getan werden

Man wolle eine rote Ampel aufstellen, sagte von der Leyen bei der Unterzeichnung. "Natürlich kann man über eine rote Ampel fahren. Aber es hat Konsequenzen." Und es sei ein wichtiges gesellschaftliches Signal.

Es seien sehr wenige, die die Ampel überschreiten würden, sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke. Erfahrungen aus Norwegen hätten gezeigt, dass 80 Prozent der Betrachter solcher Seiten sich so abschrecken ließen. Lediglich der harte Kern echter Pädokrimineller sei damit nicht zu beeindrucken.

Hoffentlich hat er Recht mit dieser Behauptung. Denn die Metapher mit der Ampel ist Unsinn und so irreführend wie ein großer Teil der Argumente der Befürworter. Im Gegensatz zum Straßenverkehr kann im Internet tatsächlich etwas getan werden, um die Übertretung eines solchen – auch jetzt schon gesetzlich geregelten Verbots wirksam zu verhindern.

Nicht nur ein Flatterband

Nahezu 90 Prozent aller im Internet verfügbaren Kinderpornografie befindet sich in Ländern, die solche Bilder und deren Verbreitung unter schwere Strafen stellen: USA, Kanada, Niederlande, Deutschland. Mit dem internationalen Austausch der Sperrlisten entsteht nun sogar ein Verfahren, dass es allen Beteiligten erlaubt, von Ermittlungen anderer zu profitieren und zu erfahren, was davon auf heimischen Servern lagert. Warum also gehen die Telekommunikationsfirmen nicht einen Schritt weiter und schmeißen die Server raus, die auf den Listen der Polizei stehen? Warum sperren sie nicht die Accounts derjenigen, die die Seiten gemietet haben?

Dann wäre das Stoppschild oder die Meldung "404: server not found" nicht nur ein Flatterband, das sich überwinden ließe. Und das noch dazu den Makel der Zensur trägt. Dann würde es den Server wirklich nicht mehr im Netz geben. Rechtlich möglich ist das längst, kriminelle Inhalte muss kein Provider dulden, im Gegenteil, er hat die Pflicht, sie zu entfernen.

Die Antwort darauf entlarvt die gesamte Initiative: weil die Sperrlisten dazu nicht taugen. Sie sind nicht sicher genug. Die Chance, dass auf ihnen viele Seiten stehen, die zwar bedenkliche, eklige und schlimme Bilder verbreiten, aber eben keine kriminellen, ist offensichtlich zu groß. Die Provider haben Angst vor Klagen unberechtigt entfernter Kunden, wenn sie so weit gehen. Und anscheinend kein Interesse, den Unterschied zwischen widerlich und kriminell auf eigene Rechnung zu prüfen. Denn dann würden sie haften. Für die (sehr viel weniger wirksame) Sperrung jedoch haftet das Bundeskriminalamt, das die Listen aktualisiert und verschickt.

Nicht das richtige Signal

Die Bedenken sind so schwer, dass zwei der fünf unterzeichnenden Provider nicht einmal das Stoppschild des BKA einsetzen wollen. Einer davon ist die Deutsche Telekom AG. Man werde, solange es keine gesetzliche Grundlage gebe, lediglich den Zugang zu den Seiten sperren, sagte René Obermann, Vorstandsvorsitzender der Telekom. Das Stoppschild verwende man nicht.

Die Telekom hat in Deutschland bei den Internetzugängen einen Marktanteil von 45 Prozent. Auf den von ihr gehosteten Seiten wird es also nicht einmal das Warnschild geben, das Ursula von der Leyen für ein so wichtiges gesellschaftliches Signal hält.

Doch was für ein Signal ist das für die Opfer und die Täter? (Zeit online)

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