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Staatsanwalt Thomas Klinge will ein Geständnis, um das Verfahren einzustellen.

© dpa

Kinderpornografie-Prozess: Edathys Ankläger könnten den Wulff machen

Die Staatsanwalt sollte davon ablassen, dem Ex-Politiker Sebastian Edathy ein Geständnis abzupressen, und ihm stattdessen nahe legen, "strafrechtliche Verantwortung" zu übernehmen. Ein Vorbild dafür gäbe es. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Bis Montag soll sich Sebastian Edathy entscheiden, ob er ein Geständnis ablegen will. Rund 5000 Euro Geldauflage, und sein Kinderporno-Prozess würde ohne Urteil eingestellt, dank Paragraf 153a Strafprozessordnung (StPO). Es ist danach nicht verboten, von einem Angeklagten, der bis zu Erweis des Gegenteils als unschuldig gilt, ein Geständnis zu verlangen, wie es die Staatsanwaltschaft von Edathy gefordert hat. Jedoch ist es auch nicht ausdrücklich erlaubt. Die andere, vielleicht wichtigere Frage wäre daher: Ist es gerecht?

Paragraf 153a ist die klassische Erledigungsform für jährlich zehntausende Delikte, etwa im Straßenverkehr. Das Verfahren wird eingestellt, wenn die Geldauflage geeignet ist, „das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen“. Weil die Ankläger dem zustimmen müssen, haben sie es in der Hand zu beurteilen, ob das „öffentliche Interesse“ mit der Zahlung beseitigt werden kann. Eine Machtposition, die sie öfter mal dafür nutzen, Geständnisse zu fordern. Unschön vielleicht, im Fall Edathys jedoch nachvollziehbar. Mit seinen dramatischen Auftritten, ob im Internet, vor dem Untersuchungsausschuss oder der Bundespressekonferenz inszeniert er sich als einer, der wegen Besitzens harmloser Nacktbilder unschuldig verfolgt wird. Spätestens mit dem Start des Prozesses vergangene Woche in Verden dürfte sich dieser vielfach wiederholte Irrtum allerdings aufgeklärt haben. Angeklagt ist Edathy wegen echter, „harter“, Kinderpornografie. Um Zweifel daran zu auszuräumen, könnten sogar die angeblich von ihm heruntergeladenen Videodateien im Gerichtssaal abgespielt werden. Das kommt gelegentlich vor in solchen Prozessen, vorn am Richtertisch, nicht für das Publikum. Man möchte es trotzdem nicht erleben müssen.

Dies alles könnte die Ankläger veranlassen, das öffentliche Interesse neu zu bewerten. Gegenüber Edathy könnten sie die Geldzahlung auch ohne Geständnis als „Übernahme strafrechtlicher Verantwortung“ sehen. So hatten sie damals das Einstellungsangebot an Christian Wulff schriftlich begleitet, auf das dieser bekanntlich nicht einging. Eine ungewöhnliche Wortwahl, doch ist es in solchen prominenten Angelegenheiten eigentlich eine ganz passende Formel. Denn der Verdächtigte muss weder gestehen noch Reue zeigen, aber eben bekennen, dass auch er dazu beiträgt, den Rechtsfrieden wiederherzustellen. Wer Verantwortung übernimmt, sagt noch lange nicht, dass er Mist gebaut hat. So wie der Minister, der zurücktritt, weil irgendwo unter ihm etwas schiefgelaufen ist.

Ungerecht wäre es nicht, wenn die Ankläger an ihrer Geständnisforderung festhalten. Aber gerechter wäre es wohl, sie ließen davon ab. Es ist nicht alles schwarz oder weiß im Rechtsstaat. Manchmal ist es grau.

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