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Kinderpornographie: Gefährliche Verbindung

Der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss ist ins Fadenkreuz staatsanwaltlicher Ermittlungen geraten. Grund ist die Beschlagnahmung kinderpornografischen Materials, das in seinem Besitz gefunden wurde. Tauss beteuert, dass er sich rein beruflich mit Kinderpornografie beschäftigt habe. Wie ist diese Erklärung zu bewerten?

Am Freitagmorgen machte sich Jörg Tauss auf den Heimweg in seinen Wahlkreis Karlsruhe-Land. "Er sitzt jetzt im Flieger, und er wird sich heute auch nicht mehr äußern", sagte eine Mitarbeiterin aus seinem Berliner Bundestagsbüro. Zu diesem Zeitpunkt hatte der SPD-Politiker bereits erste Konsequenzen aus den Ermittlungen der Karlsruher Staatsanwaltschaft wegen Besitz und Weitergabe kinderpornografischen Materials gezogen. Auf seiner Homepage (www.tauss.de) erklärte er seinen Rücktritt vom Amt des baden-württembergischen SPD-Generalsekretärs. Außerdem stellte der 55-Jährige seine Funktion als Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Bildung, Forschung und Medien sowie seinen Sitz im Fraktionsvorstand zur Verfügung. Er wolle ausschließen, dass Partei und Fraktion "durch die Ermittlungen belastet werden", schrieb Tauss.

Kommt der Rückzug einem Schuldeingeständnis gleich?
Nein, Tauss beteuert im Gegenteil weiterhin seine Unschuld: "Ich bin mir absolut sicher, dass der gegen mich erhobene Vorwurf schnell ausgeräumt werden kann", heißt es in seiner Erklärung vom Freitag. Auch werde er die Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung des Sachverhalts nach Kräften unterstützen.

Was liegt gegen Tauss vor?
Bei der Durchsuchung von Büros und Privaträumen des SPD-Politikers waren die Ermittler nach den Worten eines Sprechers der Karlsruher Staatsanwaltschaft am Donnerstag "fündig" geworden und hatten "einschlägiges Material" sichergestellt.

Wie kam es zu den Ermittlungen?
Tauss war ins Visier der Strafverfolger geraten, nachdem ein Verdächtiger im Raum Bremerhaven gegenüber der dortigen Staatsanwaltschaft gestanden hatte, kinderpornografisches Bildmaterial über sein Mobiltelefon empfangen und verschickt zu haben. Die Ermittler stellten 23 Kontakte zwischen dem Handy des Geständigen und Mobiltelefonen von Tauss fest. Nach Tagesspiegel-Informationen wirft die Staatsanwaltschaft Tauss vor, in mindestens einem Fall selbst Kinderpornografie an seinen Kontaktmann in Bremerhaven versendet zu haben. Auch soll Tauss aus Bremerhaven eine DVD mit kinderpornografischen Bildern erhalten haben.

Wie erklärt Tauss die Vorwürfe?
"Ich beschäftige mich seit Jahren mit dieser Szene", sagte Tauss in einer ersten Reaktion am Donnerstag. Zugleich brachte er eine mögliche "Revanchehandlung" ins Spiel, ohne jedoch zu erläutern, weshalb sich jemand aus der Pädophilenszene an ihm gerächt haben sollte. Gegenüber den Ermittlern, die am Donnerstag auf das belastende Material gestoßen waren, hatte Tauss nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf seine Tätigkeit als Abgeordneter verwiesen. In der im Internet veröffentlichten Erklärung führt Tauss ebenfalls an, sich mit dem Thema Kinderpornografie beschäftigt zu haben.

Kann es sein, dass Medienexperte Tauss lediglich recherchiert hat?
Möglich, in den Augen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe aber unwahrscheinlich. Sie sieht in der Abgeordnetentätigkeit von Tauss bisher keine plausible Erklärung für die Funde in dessen Berliner Wohnung. Die Durchsuchung habe ergeben, dass "Gegenstände" in Tauss’ Privatsphäre gelangt seien. Die "Stuttgarter Zeitung" zitierte einen Sprecher der Staatsanwaltschaft mit dem Satz, das Material spreche "eindeutig gegen einen Zusammenhang mit seiner Abgeordnetentätigkeit". Auch für einen Racheakt gebe es keine Anhaltspunkte.

Welche Position hat Tauss in der Debatte um Kinderpornografie im Netz vertreten?
Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), Kinderporno-Seiten im Netz zu sperren, lehnte Tauss mehrfach ab. In seiner Erklärung versicherte er, sich "immer und sehr entschieden" für einen besseren Schutz von Kindern im Internet und für die entschlossene Bekämpfung von Kinderpornografie eingesetzt zu haben. Zugleich habe er aber auch davor gewarnt, das Thema politisch zu instrumentalisieren. "Gerade in der aktuellen Diskussion über die Ausweitung der Befugnisse des BKA zu Internetsperren habe ich mich – wie bekannt ist – dafür eingesetzt, die Strafverfolgung zu intensivieren und zu verstärken, um an die Täter heranzukommen, anstatt auf symbolpolitische und letztlich wirkungslose Internetsperrungen zu setzen."

Was für ein Typ ist Tauss?
Parteifreunde nennen ihn einen "Internet- und Computerfreak". Tatsächlich war Tauss schon früh Mitglied des "Chaos-Computer-Clubs" und verfügte als erster Bundestagsabgeordneter über eine eigene E-Mail-Adresse und eine eigene Internetseite. Seit Jahren kämpft Tauss gegen Beschränkungen im Netz.

Wie wird Kinderpornografie bestraft?

Verbreitung, Erwerb und Besitz von Kinderpornografie werden empfindlich bestraft. Der einschlägige Paragraf 184 b Strafgesetzbuch ist jüngst noch einmal erweitert worden: Mussten die Kinderpornos früher den "Missbrauch von Kindern" abbilden, so genügen jetzt Schriften, die "sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern" zeigen. Der Strafrahmen reicht von drei Monaten bis zu fünf Jahren Haft. Wer mit den Darstellungen Handel treibt, riskiert sogar sechs Monate bis zehn Jahre Haft. Bloßer "Besitz" von solchen Schriften, "die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben", kann bis zu zwei Jahre Haft oder eine Geldstrafe einbringen.

Ist auch das Anschauen strafbar?
Die Antwort stellt nicht nur Ermittler vor Probleme, sondern auch die Gerichte. Die moderne Datentechnik bringt es mit sich, dass derjenige, der anschaut, auch recht schnell etwas besitzt. Früher nahm man das noch nicht so genau. Es galt: Das Betrachten, auch am Bildschirm, ist straflos, erst das dauerhafte Abspeichern auf einem Datenträger erfüllt den Tatbestand "Besitz". Wie dauerhaft ein Computerbesitzer etwas speichert, hängt nicht zuletzt von seinem Rechner und dessen Einstellungen ab. Zum Beispiel könnten Bilder im Cache-Speicher landen. Manche Gerichte argumentieren, auch wer nur flüchtig etwas betrachtet, schaffe eine Nachfrage. Meistens werden Verfahren in solchen Fällen aber eingestellt.

Wie wird die Justiz die Argumente von Tauss bewerten, er habe nur Material für seine politische Arbeit gesammelt?

Es scheint festzustehen, dass bei dem Politiker kinderpornografische Schriften gefunden worden sind. Er bestreitet dies auch nicht. Er rechtfertigt sich mit seiner Mandatstätigkeit. Paragraf 184 b erklärt Handlungen für straflos, wenn sie "ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen." Jugendschützer, Anwälte, Ärzte oder Wissenschaftler, die sich mit Kindern und Kinderpornografie beschäftigen müssen, sollen damit vor Verfolgung sicher sein. Ob und wie die Vorschrift auch bei einem Bundestagsabgeordneten greift, ist offen. Allerdings handelt es sich bei Tauss vermutlich weniger um eine Rechts- als um eine Tatfrage. Ab einem bestimmten Durchsatz von Material werden die Ermittler fragen, ob es nötig war, dies alles zu sammeln. Empfindlich reagieren die Ermittler auch auf die Verbreitung von Kinderpornos via Handy. Es ist die neueste Masche in der Szene, um nicht entdeckt zu werden.

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